Eifel-Filz
und falls ich nichts zu tun hätte, sollte ich doch einfach nachkommen. Dann kam Flora Ellmann.
»Siggi, hier ist die Flora, und ich hoffe, daß niemand dein Band abhört, der nicht dazu berechtigt ist. Du merkst schon, daß das eine Anspielung auf deine gelegentlichen weiblichen Besucher ist, die kein Mensch mehr auseinanderhalten kann. Also, Siggi, weißt schon, daß ich... also daß ich auch irgend wie in der Kyllheim-Planung drinhänge. Und ehe du von anderen etwas erfährst, habe ich überlegt, ob es nicht besser ist, du kommst einfach her und ich erzähle dir ein bißchen. Ich meine, Offenheit gegen Offenheit, wie meine Großmutter immer sagt. Egal wann, komm her, sonst kann ich nicht schlafen. Hier ist Flora Ellmann, und es ist Mitternacht.«
Es war jetzt zwei Stunden nach Mitternacht, und sie hatte erbärmlich geklungen. Ich marschierte also wieder raus, nahm den Jeep aus der Garage, machte mich über Wiesbaum und Birgel auf den Weg. Nebel war hochgezogen und deckte den ganzen Golfplatz ab wie ein Leichentuch.
Flora Ellmann hatte es mit Wein. Entweder war sie heiter, dann war es Weißwein, möglichst trocken, oder sie erging sich in schniefigen Schicksalsbetrachtungen, dann war es Rotwein, den sie zärtlich »meinen Wutmacher« nannte. Sie hockte in einem unbeschreiblichen alten Bademantel völlig undefinierbarer Farbe auf einem Sofa und sah aus wie ein Kind, dem sämtliche Liebe entzogen worden war.
»Setz dich, setz dich«, murmelte sie nuschelnd. »Also, was hast du über mich erfahren?«
»Daß du geldgeil bist«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Sie nickte, schniefte und nickte noch einmal. »Die Eifel war immer arm«, sinnierte sie. »Du kriegst hier beigebracht, möglichst viel zusammenzuraffen. In der Regel hast du das erreicht, wenn du alt bist. Dann kannst du nichts mehr damit anfangen. Ich bin fast vierzig, ich sollte mich mal nach einer starken Schulter umgucken.«
»Ich bin kein Lebenswegberater«, sagte ich vorsichtig. »Du wolltest mir was erzählen.«
»Ach, richtig. Gieß dir doch einen ein, ich habe noch ein paar Pullen. Oder willst du Wasser?«
»Wasser«, nickte ich. »Du hast also Apartments gekauft. Von Pierre Kinn? Und weshalb?«
»Naja, weil meine Familie das so wollte. Mein Bruder ist Tischler. Er wollte unbedingt den Auftrag für den Innenausbau im Hotel in Kyllheim. Er hatte kein Geld, sich ein Apartment zu kaufen, aber Kinn sagte: Wenn du den Auftrag willst, mußt du zeichnen. So fing das Ganze an.« Flora schniefte wieder vor sich hin, richtete dann einen verschwörerischen Blick auf mich und fragte: »Glaubst du, daß ich in meinem Alter noch einen vernünftigen Kerl ins Bett kriege?«
»Warum nicht?« entgegnete ich. »Dein Bruder ist doch strikt SPD, oder?«
Sie nickte. »Isser. Er haßt den Verbandsbürgermeister, und er haßt Leute wie Pierre Kinn. Er sagt immer, die Banker sind Leute, die uns suggerieren, man müsse pausenlos Geld ausgeben und könne dabei auch noch die gute Laune behalten. Also gut, eigentlich konnte er sich kein Apartment leisten. Aber er mußte, wenn er den Auftrag haben wollte. Deshalb kam er zu mir.«
»Hast du denn soviel Geld?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht genug. Aber ich habe etwas, was andere nicht haben. Grundstücke. Daher bin ich kreditwürdig und kann für meinen Bruder ein Apartment zeichnen. Das siehst du doch ein, Baumeister, oder?«
»Also kam Pierre Kinn hierher und hat dich beschwatzt?«
»Nicht ganz so. Erstmal kam der Verbandsbürgermeister. Er machte einen Vorschlag. Er hat drei Grundstücke in einem Gebiet, das demnächst als Baugebiet ausgewiesen wird. Meine Grundstücke liegen in der Ortsmitte und an einem Hang, der wahrscheinlich in zehn Jahren baureif gemacht wird. Der Bürgermeister sagte, sie brauchen meine beiden Grundstücke in der Ortsmitte für das Bad und das Hotel. Er sei bereit, mir seine dafür zu geben, wenn ich bereit wäre, etwa hunderttausend als Ausgleich draufzulegen.«
»Aber der Mann ist doch von der CDU«, rief ich.
»Richtig, aber Grundstücke nehmen darauf keine Rücksicht. Ich merkte jedenfalls, daß ich eine Art Schlüsselposition hatte. Gab ich meine beiden Grundstücke nicht ab, saß die Projektleitung in der Klemme. Und sie hatten keine Ausweichmöglichkeit. Aber sie hatten sich auf das Projekt schon festgelegt.«
»Flora«, sagte ich sanft. »Heißt das, daß du sie ein bißchen erpreßt hast?«
»Ach, Siggi-Schatz«, entgegnete sie träumerisch, »was läuft denn heute noch ohne
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