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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Sven?«
    Â»Sven ist am Sonntagmorgen zum letzten Mal zu Hause
gewesen. Wir haben heute Donnerstag. Die Eltern haben sich zunächst keine
Sorgen gemacht, weil der Junge ziemlich oft über Nacht ausblieb, ohne sich
abzumelden. Er übernachtete häufig bei Freunden, da gibt es wohl eine Clique.
Zwischen ihm und seinen Eltern bestand so eine Art Abmachung, dass er
weitestgehend treiben konnte, was er wollte, sofern er sich halbwegs regelmäßig
meldete. Dass er vier Tage nicht zu Hause auftauchte und sich nicht meldete,
ist allerdings noch nie vorgekommen. Er fuhr einen kleinen, alten, schwarzen
BMW. Seine Mutter hat zwar die Polizei angerufen und gemeldet, dass sie ihren
Jungen vermisst. Aber zu einer regelrechten Suchanzeige hat sie sich nicht
durchringen können. Gabriele Sikorski fuhr einen feuerwehrroten Porsche 911.«
    Da hockten wir also, mampften erstklassige, höllisch scharfe
Spaghetti und erinnerten uns schweigsam an andere Treffen dieser Art, die immer
voller Lachen und lebhafter Diskussionen gewesen waren. Heute waren wir
geradezu beängstigend still.
    Die kluge Tante Anni murmelte: »Wir sollten vielleicht schlafen
gehen, damit das Bild des Gekreuzigten in euch ein wenig an Bedrückung
verliert.« Sie stand auf und begann, den Tisch abzuräumen.
    Rodenstock nickte düster. »Ich sage Bescheid, wenn etwas
Neues passiert.«
    Zehn Minuten später fuhren wir heim. Ich setzte Tante
Anni vor ihrer Wohnung ab und trollte mich nach Hause.
    Mein Hund lag platt wie eine Wanze auf der Terrasse und
bewegte seinen Schwanz in heller Freude genau zwei Mal hin und her, um dann
wieder in dumpfem Brüten zu versinken. Satchmo lauerte im Efeu auf meiner
Mauer, bewegte und reckte sich in Zeitlupe, fand dann aber alles öde und sackte
zusammen, als habe ihn ein totaler Knock-out erwischt. Den Zaunkönig sah ich
wie ein winziges Bällchen durch die Hecke flitzen. Das macht er immer, wenn die
Sonne versunken ist.
    Es war zehn Minuten vor Mitternacht, als Rodenstock anrief
und brummelte: »Sie haben die Autos gefunden. Sie standen nebeneinander auf
einer Lichtung im Rücken des Hauses St. Adelgund. Ungefähr drei- bis
vierhundert Meter entfernt. Beide Schlüssel steckten, beide Handys lagen jeweils
im Handschuhfach und beide Handys sind offensichtlich tagelang nicht benutzt
worden.«
    Â»Das heißt dann wohl, dass die beiden sich kannten?«
    Â»Davon ist auszugehen«, antwortete Rodenstock. »Ich habe
ein mieses Gefühl bei der Sache.«
    Â»Warum?«
    Â»Der Junge war achtzehn, die Frau dreiundzwanzig. Beide
durch Kopfschüsse getötet. Also hingerichtet. Der eine noch dazu symbolträchtig
gekreuzigt. Ihre Autos stehen brav nebeneinander im Wald, ihre Handys besagen
nichts. Und wir wissen nichts. Nicht, was sie verbunden hat, nicht, wodurch sie
einen solchen Hass auf sich gezogen haben. Keine Spuren, keine Motive.«
    Â»Wir stehen am Anfang«, wandte ich ein. Aber nicht einmal
für mich selbst klang das überzeugend. Seit ich Sven am Kreuz hängen gesehen
hatte, spürte auch ich eine bohrende Beklemmung. »Wir hören voneinander.«
    Bis vier Uhr morgens lag ich wach und lauschte, wie mein
Igel durch den Garten schnüffelte.

Zweites
Kapitel
    Ich musste irgendetwas Erschreckendes geträumt haben, denn ich
wurde blitzartig wach und saß schnell atmend aufrecht. Ich konnte mich nicht
erinnern, was für ein Traum mich geplagt hatte, aber an weiteren Schlaf war
nicht zu denken. Es war zehn Uhr und mein Kater kratzte an der Schlafzimmertür.
    Wie Gott mich geschaffen hatte, lief ich in die Küche hinunter
und setzte Kaffee auf, heute sogar mit Pulver. Als ich anschließend die
Vorhänge vor der Terrassentür aufzog, fiel mein erster Blick auf seine Schuhe.
Die Schuhe, die er am häufigsten trug, die, die angeblich atmeten und die ich
heimlich seine Angriffsschuhe nannte.
    Ich öffnete die Tür. »Willst du einen Kaffee?«
    Â»Wäre nicht schlecht«, antwortete Rodenstock träge und
streckte sich auf dem Liegestuhl.
    Â»Kognak? Bitterschokolade?«
    Â»Wäre noch besser.«
    Â»Eine Zigarre habe ich nicht.«
    Â»Aber ich.«
    Ich rannte zurück ins Schlafzimmer, zog mir etwas an,
verzichtete auf weitere Verschönerungen und konzentrierte mich auf die
Gastgeberrolle. Schließlich saßen wir uns gegenüber und er vollzog sein ganz
persönliches Ritual: Kaffee, Bitterschokolade,

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