Eifel-Kreuz
in etwas hineingeraten, was wohl wie eine Flut über sie kam. Sie hatten
keine Zeit, eine Bedrohung zu ahnen. Und dann war es zu spät. Kannst du dir
vorstellen, was die beiden veranlasst haben könnte, nach Polen zu fahren?«
»Nein«, sagte Herbert sehr sicher. »Gabrielchen hat niemals
etwas von Polen gesagt.«
Sie setzten mich zu Hause ab.
Â
Ich war sogar pünktlich.
»Wir nehmen mein Auto«, bestimmte Maria Pawlek.
»Wo geht es denn hin?«
»Mitten in die Botanik.«
»Und wer wartet da auf uns?«
»Das weià ich nicht, das werden wir sehen.«
»Das klingt aber sehr geheimnisvoll.«
»Stimmt es, dass man auf Svens Vater geschossen hat?«
»Das stimmt.«
»Weià man, wer?«
»Nein.« Ich kletterte auf den Beifahrersitz. »Darf ich
hier rauchen?«
»Aber ja.«
Sie fuhr in Richtung der Schnee-Eifel und bog nach wenigen
Kilometern auf eine schmale NebenstraÃe ab. Nach Hontheim und Sellerich ging es
hier, endlos tiefe Wälder, und jeder Waldsaum war ein Traum vom Schauen und
Stille.
»Ich mache das gar nicht gern«, erklärte sie.
»Warum machen Sie es dann?«
»Weil ich mich sorge. Dabei habe ich geschworen, Dickie
niemals zu verraten. Aber die Lage ist so, dass ich das tun muss.«
Sie schaute starr geradeaus, während ich mir eine uralte,
schön geschwungene Jeantet stopfte.
»Also hat Dickie Geheimnisse.«
»Hat sie. Jedenfalls glaube ich das.«
»Und was wollen Sie mit mir?«
Sie antwortete nicht.
Rechter Hand zog eine asphaltierte Bahn in die Felder und
Wiesen. Der Wald war ein groÃer Schatten in weiter Ferne.
»Ich denke«, sagte sie endlich, »dass Sie fair sind.«
»Was hat Fairness mit Dickie zu tun?«
»Sie braucht das, sie braucht das jetzt.« Ihre Wangenknochen
mahlten, offensichtlich fühlte sie sich elend. »Wir sind gleich da.«
Wir stieÃen auf den Waldrand, einen Bestand von vielleicht
sechzigjährigen Buchen, die einen hohen, lichtdurchfluteten Dom bildeten. Auf
dem Boden wucherten lange Gräser. Nach hundert Metern verlieÃen wir den Dom wieder
und Eichen und Kiefern bestimmten das Bild. Maria Pawlek lenkte den Wagen in
einen kaum sichtbaren Waldweg und parkte dort.
»Da im Schatten steht ein alter Golf«, sagte ich.
»Das ist Dickies Wagen. Sie fährt oft hierher.«
Ich dachte an Dickies T-Shirt: Okay, ich bin dick. Aber Sie sind hässlich!
»Sehen Sie am Hang diese alte, schiefe Hütte?«
»Ja, natürlich.«
»Das ist ein altes Jagdhaus, gehört dem Vater von Alex
Wienholt. Wird nicht mehr benutzt.« Ihr Gesicht war jetzt weiÃ.
»Sind Sie sich sicher, dass Sie das hier wollen?«
»Ich muss mich einfach einmischen, sonst geht Dickie den
Bach runter. Und es ist so, dass Dickie mir sagte, dass sie Sie mag.« Dann
bestimmte sie: »Den Rest laufen wir.«
Wir marschierten los. Es würde einen roten Sonnenuntergang
geben, die Vögel waren mörderisch laut, aus einer Dickung links querab waren
Rehe getreten und ästen friedlich, ein Pärchen Eichelhäher jagte sich, sie
waren offensichtlich dabei, das Leben aufregend und schön zu finden.
SchlieÃlich standen wir vor der Hütte und Maria Pawlek
sagte mit einem dicken Kloà im Hals: »Dickie.«
»Das hört sie nicht«, sagte ich. »Dickie?!«
Die schiefe Tür knarrte und schwang auf.
»Ach, ihr«, sagte Dickie nur. »Das habe ich schon erwartet.«
Sie wirkte erschöpft, sie hatte wieder das spezielle T-Shirt an und trug dazu
beige, halb lange Hosen.
»Wer ist noch da drin?«, fragte Maria Pawlek.
»Du hättest mich doch fragen können«, sagte Dickie leise.
»Du brauchst dich doch nicht so heimlich hier heranzuschleichen.«
»Tut mir leid«, erwiderte Maria Pawlek nur.
»Wer ist da drin?«, fragte auch ich.
»Wanda«, sagte Dickie.
»Wer ist Wanda?«
»Das weià ich nicht«, gab sie zur Antwort.
»Und wie kommt sie hierher?«
»Ich habe sie hierher gebracht. Wir wussten nicht, wohin
mit ihr.«
»Wer ist âºwirâ¹?«, fragte ich weiter.
»Wer wohl? Alex Wienholt und ich.«
»Ich gehe da jetzt rein. Ist das okay?«
»Ja«, nickte sie.
Die Hütte war nicht sehr groÃ, drei mal fünf Meter,
schätzte ich. Es herrschte ein Halbdunkel, denn das einzige Fenster war klein
und vollkommen mit Spinnweben
Weitere Kostenlose Bücher