Eifel-Kreuz
gemacht?«, fragte Rodenstock.
»Aber sicher, Schätzchen.«
»An eine genaue Uhrzeit erinnerst du dich nicht?«
»Ich denke, es war um neun Uhr. Eine unchristliche Zeit.
Um zehn Uhr stand ich jedenfalls mit dem Laberwasser vor der Wohnungstür.
Gabriele riss mir die Kiste aus den Armen und sagte: âºIch liebe dich.â¹ Das war
alles.« Er warf beide Hände etwas theatralisch nach vorn. »Sie war glücklich,
wenn ihr versteht, was ich meine.«
»Wie ging denn das weiter an diesem Freitag?« Rodenstock
schien endlich wieder guter Dinge, endlich griff er an.
»Ãberhaupt nicht«, erklärte Herbert lapidar. »Man macht
sich ja so seine Gedanken. Und nachmittags dachte ich mir, ich schau mal nach,
ob die beiden noch irgendetwas brauchen oder â¦Â«
»Stopp!«, unterbrach Rodenstock. »Bitte keine langatmigen
Erzählungen ohne präzise Angaben. Wir brauchen Uhrzeiten. Sag nicht
nachmittags, sag, wie viel Uhr es war. Das weiÃt du doch genau.«
»Sicher, Schätzchen. Also, um fünfzehn Uhr bin ich wieder
zu Gabriele rüber. Als höflicher Mensche klingele ich. Keine Reaktion. Na gut,
denke ich, dann gehen wir mal gucken. Ich betrete das Haus, steige die Treppe
hoch und stecke den Schlüssel ins Schloss. Ich wollte ja nicht stören, nur
sichergehen, ob alles klar ist. Aber die beiden waren nicht da. Die waren abgehauen,
ohne ein Wort zu sagen, na, da war ich doch etwas sauer. Also rufe ich
Gabrielchen auf dem Handy an. Not
available. Aha, denke ich, das Glück ist vollkommen, also störe ich nicht
länger. Ich räume die Wohnung auf, mach das Bett, räume den Geschirrspüler
voll, bringe den Müll runter â¦Â«
»Moment, Moment«, unterbrach ich. »Redest du jetzt von
deiner Wohnung oder von Gabrieles Wohnung?«
»Von Gabrielchen natürlich. Meine Wohnung ist doch immer
in Ordnung. Ich bin doch ihr Majordomus, ihr Kerl für alles Grobe.«
Von einer Sekunde auf die andere standen seine Augen
wieder voller Tränen und er stotterte: »Verdammt noch mal, verdammte Hacke, ich
konnte doch nicht wissen, dass ich sie nie wiedersehen werde. Was mache ich nur
ohne sie?«
»Gabriele meldete sich also nicht mehr und du hast sie
auch nicht mehr erreichen können«, stellte Rodenstock fest.
»Genau das, Schätzchen, genau das.« Fahrig fummelte er
ein zerdrücktes Päckchen Tabak aus der Brusttasche seines Hemdes. Es war
Gauloises, schwärzer als der Tod. Mit den Worten: »Das brauche ich jetzt«,
begann er, sich eine Zigarette zu drehen, und drei Blättchen lang klappte das
nicht. Er zitterte einfach zu sehr.
»Herrgott!«, stöhnte Rodenstock verbiestert. »Da glaubt
man an einen Durchbruch und dann so was!«
In dem Moment klingelte erst sein Handy und eine Sekunde
später meines, wir griffen nach den Apparaten.
»Ihr solltet zurückkommen«, sagte Emma. »Jemand hat
versucht, den Vater von Sven Dillinger zu erschieÃen.«
»Wir starten sofort«, sagte ich.
»Wie? Mit einer Maschinenpistole? Bist du verrückt? â Oh,
Entschuldigung. â Ja, klar, wir kommen.« Rodenstock sah mich an und nickte.
»GrüÃe von Kischkewitz. Das klingt wie ein Ding aus dem Milieu. â Herbert, ich
möchte dich bitten, uns zu begleiten. Auf den Vater des Gekreuzigten ist
geschossen worden. Ihnen, Herr Sikorski, einen herzlichen Dank. Wir melden uns,
wenn wir weitergekommen sind.«
Auf dem Weg zurück in die Eifel verzichteten wir
darauf, unserer Fantasie freien Lauf zu lassen.
»Ist Dillinger denn verletzt?«, fragte ich.
»Steckschuss in der linken Schulter«, antwortete Rodenstock.
»Aber nicht gefährlich.«
»Das klingt ja richtig nach Gangstern«, sagte Herbert vom
Rücksitz. »Und ich habe nicht mal eine Zahnbürste dabei!«
»Ich schenk dir eine«, murmelte Rodenstock.
»Wieso nehmt ihr mich eigentlich mit?« Das klang etwas
quengelig.
»Wegen der Rückpeilung«, erklärte ich und grinste Herbert
an. »Ich will dich nicht beleidigen, Schätzchen, aber ich glaube, du hast drei
Viertel der Story noch nicht erzählt.«
»Na hör mal, Schätzchen, ich habe doch keinen wirren
Kopf, ich weiÃ, was ich sage.«
»Manchmal erinnert man sich plötzlich an eine bestimmte
Sekunde, und das kann der Schlüssel sein für alle Sekunden danach«, erklärte
ich
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