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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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über uns redeten.
Ich war ja kein schlechter Priester, die Leute mochten mich sehr.«
    Â»Und die Kirche duldete solche Verhältnisse?«, fragte ich
erstaunt.
    Â»Bis zu einem gewissen Grad, ja.« Einen Moment stockte
er. »Wo liegt denn die Schwierigkeit eines Pfarrers? Die beginnt an dem Punkt,
an dem er am Sonntag die Leute mit dem Segen der Kirche aus der Messe nach
Hause schickt. Dann wird es unheimlich still. Der Pfarrer kommt in ein leeres
Pfarrhaus, in der Regel eine lieblos eingerichtete Umgebung, und niemand ist
da, mit dem er wirklich reden kann. Der ganze elende Sonntagnachmittag liegt
vor ihm.« Er lächelte schmerzlich berührt. »Wissen Sie, man sagt, dass Ärzte
viel saufen, aber gleich an zweiter Stelle stehen die jungen Priester in den
Pfarrhäusern, die versuchen, sich ihre Welt heil zu saufen, um zu überleben.
Einschlägige Psychiatrieeinrichtungen sind voll mit depressiven katholischen
Geistlichen, die mit so einer konzentrierten Form von Einsamkeit und dem Verbot
geschlechtlicher Liebe nicht fertig werden. Mich hat meine spätere Frau
gerettet, die allerdings klarstellte: Deine Haushälterin spiele ich niemals!
Wir haben uns also entschieden. Eine Zeit lang funktionierte es. Aber dann
wurde ich durch anonyme Briefe beim Generalvikariat in Trier angezeigt. Und
zwar nicht, weil ich in wilder Ehe lebte. Sondern weil ich die Kommunion auch
an geschiedene Gemeindemitglieder austeilte. Hinterher habe ich erfahren, dass
einer der Briefschreiber ein Kollege war. Was immer den getrieben hat: Man muss
sich das vorstellen – ich stehe vor dem Altar und vor mir reihen sich die Leute
auf, um die Kommunion zu empfangen. Soll ich beim Anblick eines geschiedenen
Mannes sagen: Du nicht! Das ist doch vollkommen unmöglich, das ist auch
unmenschlich, das widerspricht dem christlichen Geist.« Er lächelte. »Tja,
jetzt bin auch ich ein Geschiedener, ich habe mich von Mutter Kirche getrennt.«
    Â»Und wo in dieser traurigen Welt finde ich Pater Rufus?«
    Er trank einen Schluck Wein und sagte mit einer ganz fernen
Stimme: »Eigentlich sollte ich in dieser Sache keine Auskunft geben … Na ja,
ich denke, er hat sich einen eigenen Garten eingerichtet. Er hat wahrscheinlich
keine Geliebte, aber nur, weil er anders kompensiert: mit Macht. Er hat daran
geleckt und sie ausgebaut, stückweise und mit großer Finesse. Kennen Sie die
Geschichte mit dem Versicherungsagenten?«
    Â»Ich kenne überhaupt keine Geschichten über Pater Rufus.«

    Â»Der Anfang der Geschichte ist leider aus vielen Beispielen
bekannt: Ein alter Lehrer erwies sich als pädophil. Im Dezember spielte er
immer mit Begeisterung den heiligen Nikolaus und betatschte dabei die Kinder.
Das Ding war nicht totzuschweigen, dieser Mann war ein Skandal für die Schule.
Und was unternimmt unser eifriger Pater Rufus? Er verschafft dem alten Mann
innerhalb eines einzigen Tages einen Platz in einem Altersheim für katholische
Priester irgendwo im Schwarzwald. Damit war der Skandal aber noch nicht vom
Tisch, denn die Elternvertretung wurde aktiv. Der Vorsitzende war ein sehr
agiler Mann, der blendende Geschäfte als Versicherungsvertreter machte. Und
dieser Mann kündigte lauthals an, er werde einen Sturm der Entrüstung
entfachen, an die Öffentlichkeit gehen. So ein Vorfall dürfe sich niemals
wiederholen! Auf der kurz darauf stattfindenden Elternversammlung sagte er aber
kein einziges Wort. Und warum schwieg der erst so empörte Vater? Pater Rufus
hatte, schon lange vor dem Vorfall, einige dicke Versicherungen für die Schule
bei dem Mann abgeschlossen. Und nun konnte er den Mund nicht aufmachen, das
hätte ein berufliches Debakel für ihn zur Folge gehabt. Sehen Sie, das nenne
ich den gezielten, vorausschauenden Ausbau einer Machtstellung. Rufus ist ein
Meister darin, Netzwerke zu spinnen und die Leute glauben zu lassen, alles
diene nur der guten Sache. Und so tanzen alle nach seiner Nase und spielen mit.
Die Leute realisieren gar nicht mehr, wie da gelogen und betrogen wird. Da gibt
es zum Beispiel auch noch die Geschichte mit dem Bus. Nach den Vorschriften des
Staates muss ein altsprachliches Gymnasium ab der ersten Klasse Latein
anbieten.Das tut diese Schule aber
in der Realität nicht. Auf dem Papier schon, denn nur deshalb wurde ein
zusätzlicher Bus genehmigt, der mittags über die Dörfer fährt, damit die
Kleinen zum Lateinunterricht beziehungsweise

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