Eifel-Kreuz
Schnaps?«
»Ja, bitte« nickte sie.
»Ich bring dir einen. Sag mal, was für ein Typ ist eigentlich
die Isabell Prömpers?«
»Ein sehr nettes Mädchen. Sehr höflich, sehr zurückhaltend.
Aber sie hat erhebliche Probleme mit den Eltern. Die Eltern sind konservativ,
wollen immer nur das Beste für ihre Tochter, fragen sie aber nie, was sie
selbst für das Beste hält.«
»Ist es schwer, an das Mädchen heranzukommen?«
»Nein, überhaupt nicht. Da kann ich dir helfen.«
Ich ging durch das Wohnzimmer, um den Schnaps und das
Bier zu holen, und sah, dass Kischkewitz seinen Laptop angeworfen hatte. Auf
dem Monitor waren Bilder von Männern zu sehen, typische Polizeifotos, auf denen
Menschen immer den Eindruck erwecken, als hätten sie gerade ein Verbrechen
begangen.
Schwere Kost für eine Sechzehnjährige, aber Kischkewitz
würde wissen, was er tat.
Dann hatte Tante Anni ihren Auftritt. Sie trug eine entzückende
dunkelgrüne Spitzenbluse und so etwas betont Feierliches wie eine weite
schwarze Leinenhose, bei der mir nicht klar war, wie sie an der schmalen Figur
befestigt war. Vielleicht gedübelt.
»Welch ein Betrieb!«, strahlte sie. »Hast du einen
Schnaps für mich?«
»Aber ja. Such dir einen Platz, ich komme gleich.«
In der Küche verrichtete eine heitere Runde ihre Arbeit.
Sie fertigten ein Chili, Emma, Jeanne und Clarissa. Ich bepackte mich mit den
Getränken und verdrückte mich wieder.
Ich suchte Maria Pawlek: »Bleibst du hier? Wartest du auf
mich?«
Sie war etwas verwirrt. »Natürlich. Wieso?«
»Ich muss kurz weg, ich habe etwas zu erledigen«, sagte
ich.
Tatsächlich fand ich im Telefonbuch unter Deudesfeld den
Namen Markus Olten.
»Olten«, meldete sich eine Frauenstimme.
»Mein Name ist Baumeister. Ich würde gern Ihren Mann
sprechen.« Ich sah auf die Uhr, der Tag marschierte seinem Ende entgegen.
»Olten«, hörte ich dann einen Mann sagen. »Ja, bitte?«
»Mein Name ist Baumeister und ich muss mich entschuldigen,
dass ich so spät anrufe. Ich recherchiere den schrecklichen Fall Sven
Dillinger. Da gibt es vieles, was ich nicht begreife. Und nun habe ich gehört,
dass Sie mir vielleicht einiges erklären können.«
»So, so«, sagte er und lachte. »Wann wollen Sie denn kommen?«
»Jetzt, Sir, jetzt.«
»Moderne Zeiten, wie? Na gut, meinetwegen. Rotwein?«
»Keinen Alkohol. Vielleicht einen Kaffee.«
»Wir wohnen am Waldweg 3. Das ist ziemlich einfach zu
finden.« Er beschrieb den Weg.
Ich sagte niemandem Bescheid, nahm die Schlüssel vom
Haken und stahl mich vom Hof. Sie würden ohne mich auskommen.
Zuweilen ist es ärgerlich, in einer Gegend zu Hause zu
sein, in der man, um jemanden zu treffen, grundsätzlich zwanzig Kilometer
zurücklegen muss. Aber vielleicht ist das auch heilsam: Man überlegt sich jeden
Gang zweimal.
Die Gebäude Am Waldweg waren alt, die Scheune lag still,
das Wohnhaus war sanft erleuchtet, drauÃen standen zwei Golf. Eine Klingel gab
es nicht, ein Namensschild auch nicht. Ich klopfte.
Eine Frau öffnete die Tür, ihr Alter war schwer zu schätzen.
Sie konnte knapp über dreiÃig sein oder auch Ende vierzig.
»Mein Mann erwartet Sie«, sagte sie. »Gehen Sie einfach geradeaus.«
Er hockte in einem Sessel und schaute FuÃball. Er schaltete
den Fernseher nicht aus, drehte nur den Ton leise. »Willkommen. Wo liegen Ihre
Schmerzen?«
Olten war ein Häuptling Silberlocke, mittelgroà und rundlich,
und er strahlte Gelassenheit aus. Seine Stimme klang wie eine dunkle Trommel.
»Die Japaner werden immer besser und die Brasilianer können sowieso FuÃball
spielen. Wenigstens für Minuten.«
»Ich will Sie nicht vom Gucken abhalten.«
»Das können Sie auch nicht. Wir zeichnen das Spiel auf. Wie
sind Sie auf mich gekommen?«
»Thomas Steil hat Ihren Namen in seinem Tagebuch erwähnt.
Er schreibt, dass er Sie um Rat ersuchte.«
»Ja, das stimmt.« Er deutete auf einen zweiten Sessel und
schaltete den Fernseher jetzt doch aus, beugte sich weit vor, nahm eine dicke,
gelbe Kerze in die Hand und zündete sie mit einem Streichholz an. »Aber leider
konnte ich ihm ja wohl nicht mehr helfen. Sein Beruf hat ihn kaputtgemacht.«
»So ganz verstehe ich das ja nicht. Sicher, er hatte
seine Stelle verloren. Andererseits war er ja noch
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