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Eifel-Kreuz

Eifel-Kreuz

Titel: Eifel-Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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gar nicht so alt. Er hatte
doch gleichzeitig eine Chance gewonnen, die Chance neu anzufangen, sich von den
Altlasten zu befreien.«
    Olten schnaubte. »Ich glaube, Sie verkennen da etwas. Sie
müssen das besondere Klima dieser Schule berücksichtigen. Eine fast
diktatorische Struktur auf der einen Seite. Dann gibt es aber auch noch die
andere, die emotionale. Thomas war gläubig, die Glaubensgemeinschaft im Grunde
sein Zuhause. Doch dieses Zuhause verweigerte sich ihm mehr und mehr. Immer
mehr Widersprüche und Widerstände taten sich auf – bis zum Rausschmiss. Tja, in
der katholischen Kirche liegt vieles im Argen.«
    Â»Was meinen Sie mit ›besonderem Klima‹? Auch wenn es eine
Schule ist, die von Ordensleuten betrieben wird, ist es doch erst einmal eine
ganz normale Schule, oder nicht?«
    Er musterte mich scharf. »Normal? Diese Schule ist in den
Fünfzigern stehen geblieben. Sie ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Genau das
führt aber dazu, dass sehr viele Eltern glauben, dass dieses Gymnasium das
Beste ist, was ihren Kindern passieren kann. Tradition schreit da jeder
Backstein und Tradition beruhigt. Und eine solche Atmosphäre ist eine ideale
Plattform für Männer wie Rufus. Er ist Ordensmann und in leitender Funktion an
der Schule, er bestimmt, was katholisch ist, und er legt fest, welche Schüler
gefördert werden und welche nicht. Kurz gesagt: Er hat die Macht. Jetzt werden
Sie nach dem Schuldirektor fragen. Den gibt es natürlich, aber der ist
ebenfalls Ordensmann und dreißig Jahre älter als Rufus. Er bildet sich ein, das
Sagen zu haben, aber weil er sich nicht sicher ist, ob er noch alle Probleme
überblicken kann, sagt er vorsichtshalber nur das, was Rufus ihm vorher
eingibt. Und die Förderer dieser Schule finden das alles großartig. Denn
bedenken Sie: Den Katholizismus prägt, dass einer sagt, wo es langgeht. Und die
Eltern sind alle schwer katholisch, das lieben sie. Deshalb kann auch die
Schule so funktionieren: Einer sagt, wo es langgeht, und siebenhundert Schüler
folgen. Bis eben Sven Dillinger kam.«
    Â»Was soll das heißen?«
    Â»Sven war unbequem, nahm nicht einfach hin, was man
sagte. Erst war er nur ein Stachel im Fleisch, dann war er jemand, den man
nicht mehr übergehen konnte. Und zuletzt wurde er getötet.«
    Â»Sind Sie denn der Meinung, dass Pater Rufus ihn getötet
hat? Das wäre ja ungeheuerlich.«
    Olten goss sich Rotwein ein und mir einen Kaffee. »Was
ist daran ungeheuerlich? Ich würde das eher als unvermeidlich bezeichnen. Sven
Dillinger, mein Freund, war einfach zu gut.«
    Â»Das überfordert mich im Moment, das sprengt mein
Vorstellungsvermögen.«
    Er lachte unbekümmert. »Ja, das glaube ich. Sie sind
selbst katholisch, nicht wahr?«
    Â»Ja.«
    Â»Und da fällt es leicht, über die Kirche zu lästern und
zu spotten, aber wirklich ernsthaft dagegen zu argumentieren und das dann
durchzuhalten, das fällt schwer. Das kenne ich, das kenne ich sehr gut.« Er
sprach bedächtig. »Vielleicht steigen wir anders ein. Ich erzähle Ihnen etwas
von mir, vielleicht verstehen Sie dann besser, was ich meine. Einverstanden?«
    Â»Ja, danke, sehr.«
    Â»Ich war ein Spätberufener, ich war zuvor Verwaltungsfachmann,
hatte einen fantastischen Job, konnte mir aber irgendwann nicht mehr
vorstellen, zwischen lauter Bürokraten alt zu werden. Ich wollte mit Menschen
zu tun haben, etwas für Menschen tun. Erst 1990 wurde ich zum Priester geweiht,
da war ich schon über dreißig. Und schon vorher, noch während ich Kaplan war,
lernte ich meine Frau kennen. Natürlich traute ich mich nicht recht, damit glücklich
zu sein. Aber ich liebte sie, das war Tatsache. Ich hatte ja viel mit
Jugendgruppen zu tun, den Priesteranbetungsvereinen, wie wir das nennen.
Jedenfalls war ich kaum im Beruf und eigentlich schon fest liiert. Die Bedenken
schwanden, denn ich erfuhr in meinem Umfeld nichts anderes. Ich kannte nur
Priester, die mit ihren sogenannten Haushälterinnen zusammenlebten. Wenn die
zum Sonntagmittag in der Gemeinde zum Essen eingeladen wurden, brachten die
ihre Frau mit. Jeder dachte sich seinen Teil – das durchaus Richtige. Meine
Frau machte eine Ausbildung zur Gemeindereferentin. Wir veranstalteten
gemeinsam Jugendlager und Kinderfreizeiten, wir waren ständig zusammen und
zeitweise war es uns vollkommen egal, was unsere Schäfchen

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