Eifel-Krieg
weshalb ich im Bademantel unterwegs war. Er sah mich ganz merkwürdig an. Misstrauisch wurde er erst auf meinem Hof, als ich ihm sagte, ich hätte kein Geld bei mir. Aber zum Glück stand Tessa in der Tür und winkte schon mit einem Geldschein. Es war Mitternacht, und mir ging es gut, abgesehen von sehr strengen Kopfschmerzen. Aber da sie mir klugerweise ein paar Schmerztabletten mitgegeben hatten, legte sich das nach einer Weile, und ich konnte Tessa erklären, was mir durch den Kopf ging.
»Es ist mir eigentlich gleichgültig, ob sie reine Neonazis sind oder nur Rassisten oder hemmungslose Anbeter des Herrn Hitler oder ein Zusammenschluss heißblütiger Türkenhasser oder Vertreter des neuesten Zweiges der Anbetung nordischer Götter: Sie sind bereit, mörderische Gewalt auszuteilen. Damit meine ich nicht mich, sondern diesen jungen Kerl, den Blue, den sie im Ahbachtal erschossen haben. Ja, ich glaube, dass sie dahinterstecken.«
»Aber wir haben keine Beweise«, setzte sie entgegen.
»Wir müssen nichts anderes tun, als zu recherchieren. Wir werden ihnen zwangsläufig immer näher kommen. Ich weiß, das klingt wie ein Monopoly für Minderbemittelte, aber wir müssen es versuchen.«
»Du solltest dich aber zwischen den Gehirnerschütterungen wenigstens ausruhen«, sagte sie mit leichtem Spott. »Außerdem hast du eine ziemlich ausgeprägte Naht in der rechten Gesichtshälfte. Haben sie dir auch Verbandsmaterial mitgegeben?«
»Ja, eine Salbe und jede Menge Pflaster.«
»Dann solltest du dir eine Ruhepause gönnen, bevor du morgen das nächste Mal die Welt rettest. Wer ist denn eigentlich dieser Veit Glaubrecht?«
»Ich habe den Eindruck, er ist der Mann fürs Grobe, eine Glatze, ein schwarzer Tod. Ulrich Hahn ist sich viel zu fein, um Gewalt anzuwenden. Er delegiert sie. Habt ihr denn nicht mit Glaubrecht gesprochen?«
»Doch, haben wir«, antwortete sie. »Zwei meiner Leute hatten ihn anderthalb Stunden im verschärften Gespräch. Das Fazit ist: Er weiß von nichts. Und an genau dieser Stelle werde ich ebenso sauer wie du. Gehen wir jetzt endlich ins Bett?«
»Das könnte man ins Auge fassen.«
Ich war dann sehr froh, dass wir den totalen Verzicht auf Textiles übten und uns gegenseitig wärmten. Der Mensch ist wohl nicht dazu geschaffen, mit einer Gehirnerschütterung allein zu schlafen.
Ich wurde wach, weil ich Tessa nicht mehr spürte. Stattdessen hörte ich sie, wie sie im Treppenhaus mit ihren Kindern in Trier telefonierte. Es war sieben Uhr früh am Morgen. Ich schlief wieder ein und wurde später von drückenden Kopfschmerzen geweckt. Da war es elf. Ich stellte mich unter die Dusche und ließ mich von eiskaltem Wasser wecken. Es wirkte einigermaßen, und ich nahm eine Schmerztablette.
Rodenstock rief an. Er sagte, wir könnten jetzt mit den Eltern von Blue sprechen, sie seien bei Markus Schröder in Niederehe.
Ich brauchte ziemlich lange, um die Wunde im Gesicht so herzurichten und zu verpflastern, dass niemand bei meinem Anblick in Ohnmacht fallen würde. Dann fuhr ich nach Heyroth, gabelte Rodenstock auf, und gemeinsam fuhren wir weiter.
»Ich habe mit dem Verfassungsschutz telefoniert«, sagte er. »Es gibt da ein paar Leute, die ich noch kenne. Die sagen, sie seien an der Neonazigruppe hier in der Eifel nicht dran. Kein Interesse.«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich.
»Ich auch nicht«, grummelte er. »Aber vielleicht ist das für uns auch nicht wichtig. Ich habe neulich im Radio gehört, dass beim Verfassungsschutz V-Leute ausgeschickt worden sind, um V-Leute zu kontrollieren und auszuhorchen. Das klingt ziemlich schleimig, für meinen Geschmack.«
»Das wird mit meinen Steuergeldern bezahlt, habe ich gehört. Und der Untersuchungsausschuss, der das Treiben und die zehn Morde der NSU untersuchen soll, hat nach einem Jahr Arbeit immer noch kein klares Bild. Angeblich hatten die drei Leute keine große Hilfe in ihrem Umfeld. Jetzt ist klar, sie hatten mindestens die Hilfe von 129 Leuten, und die vom Untersuchungsausschuss sind sehr verunsichert. Es ist sicher, dass die drei indirekt mit Geld des Verfassungsschutzes versorgt wurden, und sicher ist, dass die Verfassungsschützer und Landeskriminalämter in mindestens vier Bundesländern das wussten.«
Rodenstock kicherte unnatürlich hoch. »Da schwebt das Bild vor mir, dass ein Agent des Verfassungsschutzes bei strömendem Regen in einem Wald in der Eifel hockt und einen anderen beobachtet, der wiederum ihn zu beobachten hat. Völlig
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