Eifel-Krieg
unbekannte Frau ein. Stattdessen fragte er den Vater: »Wie hat er das denn formuliert? Wie hat er begründet, dass er nichts mehr mit Ihnen zu tun haben wollte?«
»Eigentlich nicht genau«, wich der Vater aus. Er sah uns nicht einmal an.
»Es waren überhaupt nicht diese Nazis, es war die Frau!«, zischte die Mutter mit mühsam unterdrücktem Hass.
»Also gut, wer ist die Frau?«, fragte Rodenstock.
»Sie nennt sich Ana von Kolff. Ana mit einem N. Ich nehme an, das ist der Künstlername von dieser Dame.« Da waren wieder die roten Flecken an ihrem Hals.
»Wieso Künstlername?«, fragte Rodenstock. »Was für eine Künstlerin?«
»Na ja, es gibt ja Frauen, die die Männer in jeder Hinsicht bedienen. Und solche legen sich dann einen Künstlernamen zu.« Da war eine abgrundtiefe Verachtung.
»Ich nehme an, die Frau war seine Freundin oder irgendetwas in der Art«, sagte Rodenstock.
»Also, so ist das nicht«, versuchte der Vater zurückzurudern. »Es ist schon ihr richtiger Name. Sie kann ja nichts für diesen Adelstitel.«
»Aber da war sie schon weit über vierzig!«, zischte die Mutter.
Rodenstock setzte nach: »Wo steht denn die Burg dieser Adelstochter, liebe Frau Henrici?«
»In Nettersheim. Aber es ist ein ganz gewöhnliches, kleines Haus aus den Sechzigern. Nicht mal gutbürgerlich. Und nur gemietet, nehme ich an. Und ich bleibe dabei: Sie ist beruflich!«
Rodenstock schüttelte kurz den Kopf, dann fragte er: »Wenn ich das alles richtig verstehe, dann hatten Sie zu Ihrem Sohn drei Jahre lang überhaupt keine Verbindung mehr. Warum sollte er Sie dann vor drei Tagen morgens in Trier besuchen?«
»Das war eine Abmachung zwischen meinem Sohn und mir. Ich habe ihm geschrieben, wenn er nicht kommt, könne er bleiben, wo der Pfeffer wächst. Und ich habe ihm auch geschrieben, dass wir ihm unser Haus überschreiben wollten.«
»Sie haben also gar nicht mit ihm telefoniert?«
»Wir haben ja nicht einmal mehr seine Handynummer«, klagte die Mutter weinerlich. »Wir wussten ja nichts mehr von ihm. Jahrelang. Und wir haben so sehr für ihn gebetet. Und wenn wir das Hotel, also diese Nazitruppe angerufen haben, sagten die, sie würden den Namen nicht mal kennen. Keine Ahnung.«
»Also hatten Sie auch keine Abmachung mit ihm, Herr Henrici. Da existierte nur dieser Brief, von dem Sie aber nicht einmal wissen, ob Ihr Sohn den überhaupt gelesen hat.« Rodenstock war jetzt richtig sauer, und ich konnte ihn gut verstehen. Und er war noch nicht am Ende, er fuhr metallisch hart fort: »Und Sie, Frau Henrici, können das Haus der Ana von Kolff so gut beschreiben, weil Sie dorthin gefahren sind. Aber Sie haben sich nicht getraut zu klingeln und zu sagen: Wir müssen reden! Wir sind seine Eltern! Ist das so? Warum waren Sie denn so feige?«
Der Vater senkte den Kopf, die Mutter senkte den Kopf. Dann weinten sie lautlos und bitterlich.
»Der Herrgott will uns prüfen«, schluchzte die Mutter.
»Das ist der reine Quatsch!«, fuhr Rodenstock hoch. »Da muss doch etwas passiert sein, was Sie uns verschweigen.«
»Es ist, weil du schon in Trier die Geschichte mit der Elissa torpediert hast!«, sagte der Vater schluchzend. »Und vorher schon die Geschichte mit Trudchen von Bäumels. Und davor auch … ach, geh mir endlich weg!«
Ich war bemüht, ein wenig Ruhe ins Gespräch zu bekommen, als ich sagte: »Wenn ich das richtig sehe, dann hat Ihr Sohn Ihr Haus in Trier ungefähr vor drei Jahren verlassen. Weil er mit seinen Eltern nicht klarkam, weil Sie seine Verbindungen zu Mädchen nicht tolerierten. Und er hat sich nicht mehr bei Ihnen gemeldet. Woher wussten Sie denn überhaupt, wo er steckte?«
»Also, das war mehr ein Zufall«, erklärte der unglückliche Vater leise und schniefend. »Ich habe einen Kollegen, der viel in der Eifel wandert. Und der hat meinen Sohn bei einer Wanderung getroffen, ganz in der Nähe vom Eulenhof. Und dann hat Paul ihm gesagt, dass er da wohnt. So einfach war das.«
»Und Sie haben sich nicht aufgemacht und ihn besucht? Warum denn nicht, um Gottes willen?«, fragte Rodenstock. Er hatte ein rotes, wütendes Gesicht.
Die beiden schwiegen. Walburga Henrici nestelte an ihrem Kleid herum, ihr Mann sah stur nach unten.
Rodenstock wartete noch einen Moment, dann fragte er: »Wie sind Sie überhaupt auf die Spur der Ana von Kolff gekommen?«
Die Mutter raffte sich auf, ihre Weinerlichkeit war aufdringlich klebrig wie fließender Honig und roch nach falschem Pathos. »Diese unsägliche Frau
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