Eifel-Krieg
Schritte zurück.«
»Wie lange liegt der schon hier? Wer ist das?« Rodenstock kniete schon neben dem Mann. »War der die ganze Zeit über besinnungslos? Oder war er auch mal wach?«
Einer von ihnen antwortete: »Der lag auf dem Bauch, ich habe ihn gedreht, mehr nicht. Manchmal hat er geschrien, dann nicht mehr.«
»Das ist Alfons Marburg aus Trier. Also, der ist Jäger hier.« Das war eine höhere Männerstimme, leicht nuschelnd.
»Wieso fotografierst du?«, fragte ein Dritter mich aggressiv. »Was soll denn das? Dem Mann geht es dreckig, siehst du doch.« Dann fügte er höhnisch hinzu: »BILD sprach mit dem Toten, eh?«
»Red keinen Scheiß, Mann!«, sagte Rodenstock grob.
»Da kommt der Notarzt«, rief jemand. »Und die Polizei!«
»Wahnsinnswunde!«, sagte Rodenstock. »Kannst du mal auf die rechte Schulter gehen?«
Ich ging mit dem Objektiv auf die Wunde, die sehr scheußlich aussah und groß und blutig. »War das ein Maschinengewehr?«, fragte ich.
Niemand antwortete.
»Da kommt das Rote Kreuz!«, sagte jemand, der etwas abseits stand. »Wir fahren weiter hoch bis zum Holzplatz.«
Der Verwundete schrie jetzt, es klang wie das weit entfernte Schreien eines Babys, dünn und sehr hoch.
»Ruhig, mein Junge«, sagte Rodenstock. »Gleich ist es besser.«
»Was ist denn das für eine Wunde?«, fragte ich. »War das ein Maschinengewehr? Ist das etwa ein Ausschuss? Nimm mal deine Hand da weg!«
»Lasst mich mal, Leute«, sagte der Notarzt hinter uns. »Und fahrt mal eure Kutschen weg, ich brauche Platz für die Trage und so. Und der Sani muss durchkommen können.«
Der Verwundete schrie nicht mehr.
»Wer hat ihn denn gefunden?«, fragte Rodenstock.
»Ich«, antwortete ein kleiner, knubbeliger Mann mit hochrotem Gesicht und silbernen Haaren. »Ich hörte den Schuss, dann fiel er auch schon um. Er kam hier zu Fuß vom Berg runter aus dem Wald oben. Ganz normal. Macht er ja oft. Ich wollte nur nach meinen Rindern gucken.«
Das Gesicht des Jägers war vollkommen blutverschmiert, wahrscheinlich war er reflexartig mit seinen Händen über das Gesicht gefahren.
»Das muss jetzt schnell gehen«, sagte der Notarzt gepresst und klappte seine Bereitschaftstasche auf. »Gib mir mal die große Schere.«
Rodenstock griff in die Tasche und gab sie ihm.
Der Verwundete trug Jägerkleidung. Grünes Hemd, grüner Pullover, grüne Hose. Er war vielleicht sechzig Jahre alt.
»Jetzt eine kleine Schere«, sagte der Notarzt. »Verdammt, das ist aber ein Riesenloch. Aber es blutet gut, Kreislauf in Ordnung. Bleib liegen, Mann, alles klar. Du kriegst jetzt etwas gegen den Schmerz. Muss ich das fixieren? Nein, muss ich nicht. Strampel nicht so! Und ab!«
Die Sanitäter legten ihre Trage neben den Mann, und der Notarzt sagte: »Ich kann wenig tun, es sollte jetzt schnell gehen. Und noch ein Stichwort für die Chirurgie: Der Schuss traf schräg von hinten in die rechte Schulter. Dem Schusskanal nach zu urteilen, muss Knochenmasse gesplittert sein. Der Patient wird voraussichtlich schmerzlos sein und dösen.« Dann griff er nach seinem piepsenden Handy und sagte scharf: »Ja!« Er hörte kurz zu, steckte das Gerät wieder weg und verkündete: »Ich muss weiter.«
»Ich weiß nicht recht, was wir hier noch sollen«, sagte einer der uniformierten Beamten unsicher. »Wir konnten nicht früher hier sein. Da war noch ein Unfall.«
»Hier ist nichts«, sagte ich.
»Wir fragen mal nach«, sagte der Polizeibeamte.
Es gab ein wenig Lärm, die Einsatzwagen verschwanden, die Zuschauer stellten fest, dass es nichts mehr zu sehen gab, starteten ihre Schlepper und Autos und trudelten weiter.
Rodenstock und ich standen unter dem sommerlichen Himmel und spürten die plötzliche Stille fast körperlich, die Landschaft war leer. Nur dicht an meinen Schuhen war ein großer Fleck im Sand wie ein Schatten. Blut.
»Da ist etwas schiefgelaufen, wenn du mich fragst«, sagte Rodenstock unsicher. »Und diese Hämatome um die Wunde herum … Ich weiß nicht recht.«
»Kann ich an deinem Herrschaftswissen teilhaben?«, fragte ich vorsichtig.
»Noch nicht«, antwortete er. »Ich muss noch nachdenken.«
Dann kam Holger Patt von der Mordkommission in seinem Passat den Weg hochgebrettert, wirbelte mächtig Staub auf, sprang förmlich aus seinem Auto und sagte gut gelaunt: »Ich weiß, dass der Verwundete nicht mehr da ist. Ich weiß auch, dass er auf dem Weg zum OP-Tisch ist.« Er strahlte und setzte hinzu: »Ich weiß aber auch, dass ein
Weitere Kostenlose Bücher