Eifel-Krieg
Wohnräume lagen rechts hinter der Wand. Sie waren winzig, und sie reichten niemals aus, wenn eine Frau acht Kinder bekam und die Großeltern auch noch lebten und Onkel und Tante noch Dauergäste waren. Man darf auch nicht vergessen, dass ursprünglich zwischen den Ställen und dem Wohnteil nur halbhohe Mauern gezogen waren. Dann konnte die Wärme der Ställe und Tiere für die Menschen genutzt werden. Dieser Raum hier lag zwischen den Rinderställen auf der linken Seite und den Ziegen- und Schweineställen auf der rechten. Und fragen Sie mich nicht, was das alles gekostet hat. Und ich will auch gleich zugeben, dass die Architekten mogeln mussten. Manche Mauer- und Deckenwerke waren so marode, dass wir sie durch Betonstreben ersetzen mussten. Aber die wurden natürlich versteckt.«
Ich sah mich weiter um und staunte nicht schlecht: In einer halbhohen Esse brannte ein offenes Holzfeuer. Es gab lange Haken, um Töpfe zu halten, und links und rechts waren Takenplatten in die Wand eingelassen.
»Das ist sehr schön«, sagte ich.
Ana von Kolff war eine große, schlanke Frau in Jeans, einem weißen Hemd und einem einfachen, beigefarbenen Pulli darüber. Sie hatte einen ungewöhnlich großen Mund, und ihr dunkles Haar fiel in weichen Wellen auf ihre Schultern. Sie mochte vierzig sein oder kurz darüber, sie war hager und lief auf schwarzen High Heels, für die man gewiss einen Waffenschein brauchte.
»Ich habe uns ein Feuer angemacht«, erklärte sie. »Es kann uns an Blue erinnern, er mochte das gern.« Sie stand vor einer schwarzen, alten Truhe mit einem langen, in das Holz geschnittenen Schriftzug. Es war der Anfang des Vaterunsers.
»Tee? Bier? Wasser? Etwas anderes?«
»Ein Wasser, bitte.«
Sie werkelte mit Flaschen und Gläsern und stellte einen kleinen Napf mit Nüssen vor mich hin. Wir saßen in zwei Sesseln, die mit grünem Samt bezogen waren. Ich blickte in das Feuer in der Esse, der Rauch stieg in einen riesigen Abzug, der wie ein umgedrehter Trichter aussah.
»Manchmal mache ich noch Gulasch auf dem Schätzchen«, sagte sie. »Mein Kaminkehrermeister sagte, dass er das so nicht mehr genehmigen dürfe. Aber wir haben argumentiert, dass früher so gekocht wurde. Nach langem Hin und Her wurde die Feuerstelle akzeptiert. Was trinke ich denn? Hm, ich nehme einen gestreckten Gin. Erzählen Sie mal, was machen Sie denn aus dieser scheußlichen Geschichte mit den Neonazis? Und noch etwas, ehe wir einsteigen: Ich heule immer noch, wenn ich an Blue denke. Sie müssen wissen, er war ein sehr sanfter, kluger Junge.«
»Ich weiß noch nicht, was ich daraus mache. Ich stehe am Anfang, und ich denke, diese Geschichte ist noch nicht zu Ende.«
»Ist es richtig, dass dieser pensionierte Kriminalist fast zu Tode geprügelt wurde?«
»Das ist richtig.«
»Wird er wieder gesund?«
»Das weiß wohl niemand«, wiegelte ich ab.
»Die Buschtrommeln sagen, dass auch Sie verprügelt wurden.«
»Stimmt. Aber sagen Sie: Wie kam Blue hier zu Ihnen?«
»Das war wohl mehr Zufall. Im Nachbarort war Kirmes, und da stand er neben mir und trank ein Bier. Wir kamen ins Gespräch, und er sagte mir, er sei aus Trier und wolle jetzt in die Eifel ziehen. Ich habe gefragt, was er denn hier wolle, und er sagte mir, er habe das Gefühl, dass ihm die Einsamkeit hier gut bekommt. ›Herzlich willkommen!‹, habe ich ihm gesagt. Ja, so fing das an.«
»Und wann saß er zum ersten Mal vor dem Feuer hier?«
»Ein paar Wochen später. Er hat von meinem Jour fixe erfahren und wollte fragen, ob er kommen könne. ›Na klar‹, habe ich gesagt, ›her damit!‹ Ich habe damals, das ist fast drei Jahre her, jeden Sonntagabend das Feuer hier angemacht. Dann wurden alle möglichen Sitzgeräte aufgebaut, alte Sofas, Stühle aus Plastik. Ich habe den Kaffee gestellt, das Wasser und das Bier. Ich habe keine Vorschriften gemacht und keine Themen vorgeschlagen. Ich habe gesagt: ›Jeder, dem etwas auf der Seele brennt, kann hierher kommen und seine Probleme darstellen und diskutieren.‹ Das war schon irre, was da manchmal auf den Tisch kam.« Sie hatte beide Hände auf ihre Knie gelegt und lächelte. »Ich war damals schwer in Mode, müssen Sie wissen.«
»Und was für ein Problem stellte Blue zur Diskussion?«
»Das Leben im Nichts.« Sie machte eine lange Pause. »Also, er sagte, er habe sein Elternhaus in Trier verlassen, weil seine Eltern ganz verschrobene Leute seien. Kein Verständnis, grundsätzlich gegen alles, schrecklicher Einfluss der
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