Eifel-Krieg
Eben einen Mollimacher für die lustigen Tage des Lebens und einen Knüppel für die düsteren Tage. Da sind wir sehr flexibel.«
»Glaubst du, dass Rodenstock es schafft?«
»Ich bemühe mich, nicht allzu sehr daran zu denken. Aber das gelingt natürlich nicht. Ich kann nur hoffen.«
»Was ist, wenn er nicht mehr wird?«
»Ich möchte Albträume nicht vorher diskutieren, Tessa.«
»Ja, ja.« Sie bewegte sich unruhig und murmelte: »Ich habe das mit uns überlegt. Ich war vielleicht zu heftig.«
»Ich möchte das hier nicht zwischen Tür und Angel erledigen. Lass uns irgendwann in Ruhe darüber sprechen. Wir werden ja Zeit haben. Und ich will auch erklären können, weshalb ich so bin wie ich bin.«
»Das wäre schön«, sagte sie. »Gleich kommen meine Spurenleute. Sie wollen sehen, wo überall hier im Haus die Feinde von Rodenstock gewesen sind. Vielleicht kommen ein paar Fingerabdrücke dabei heraus, aber wahrscheinlich nicht.«
»Kannst du Ana von Kolff empfehlen?«
»Sehr«, lächelte sie. »Eine schöne Frau, und sehr klug.«
6. Kapitel
Ana von Kolff begegnete mir unkompliziert. Sie sagte am Telefon souverän und gelassen: »Falls ich für Sie in dieser Sache von Interesse bin, kommen wir heute Abend zusammen und reden über Blue. Ich kann sowieso nicht verhindern, dass mein Name fällt. Es ist ganz einfach zu finden: in der alten Dorfmitte von Nettersheim. Da ist eine kleine Buchhandlung, und schräg gegenüber steht mein Haus. Sagen wir um acht?«
Ich hatte noch zwei Stunden Zeit und nutzte sie zum Nichtstun. Ich saß auf der Terrasse, trank eine Apfelschorle und war richtig froh, als Iwan um die Ecke kam. Dabei handelte es sich um einen Igel, der in einer alten Kompostanlage hinter meinem Haus lebte. Iwan war offensichtlich davon überzeugt, dass ihm in meiner Nähe absolut nichts passieren konnte. Es schien ihm vollkommen gleichgültig, ob kleine oder große Gefahren lauerten; er kam laut schnüffelnd um die Ecke, zog vor der Terrasse entlang und erklomm sie dann auf einer Schräge, die ich eigens für ihn eingerichtet hatte. Er hatte gelernt, die Terrasse in einer Diagonale zu queren und sich zielsicher der Plastikschale zu nähern, in der das Futter für meinen Kater angerichtet war. Falls ihm dabei meine Schuhe im Weg waren, weil ich so unverschämt war, auf meiner Terrasse zu sitzen, nahm er es nicht übel und marschierte eng an ihnen vorbei.
Dann kam der schwierige Teil: Die Besteigung des Futternapfes.
Ich muss einräumen, dass ich kein Igelspezialist bin. Es kann durchaus sein, dass dieser Igel gar nicht mehr Iwan war, sondern ein Enkel von Iwan. Ich weiß nicht, wie lange Igel leben. Vielleicht gehörte meine Terrasse seit Jahren einer ganzen Igelsippe, die hier ihr Paradies gefunden hatte: das Igel-Bali in der Eifel!
Ich sagte also: »Warte mal« und verschwand kurzfristig in die Küche, um ihm ein Futter zu bringen, das ursprünglich mal Satchmo gehört hatte. Ein paar Dosen davon hatte ich immer noch. Ich richtete Iwan drei große Esslöffel davon in der Plastikschale an und trug sie hinaus. Dann sagte ich höflich: »Guten Appetit« und stellte ihm die Köstlichkeit dorthin, wo sie immer gestanden hatte. Er zeigte sich nur kurz irritiert und roch dann den Fraß. Die Schale hatte einen scharfen Rand, der nicht Igel-kompatibel war, er war eine Spur zu hoch. Iwan hatte aber gelernt, damit zu leben: Er pflegte die Schale umzukippen, indem er sich mit beiden Vorderpfoten auf den Rand stellte. So rollte ihm die Herrlichkeit direkt vor die Schnauze. Auch diesmal klappte das Manöver problemlos. Er fraß hastig, wahrscheinlich war er erstaunt, dass kein Satchmo ihn störte. Ob er rülpste, weiß ich nicht zu sagen, auf jeden Fall hatte er Verdauung. Er kackte zwei runde, kleine Würstchen neben die Plastikschale und blieb noch eine Weile lang hocken, ehe er sich auf den Rückweg machte.
Das geschah gegen 18.30 Uhr, und Biologen werden mir jetzt entgegenhalten, dass Igel um diese Zeit niemals auf Beutejagd sind. Das mag ja sein, aber bei meinen Iwans lief das alles etwas anders ab, sie waren rührend um ein friedliches Miteinander bemüht.
Ich rief den Pfarrer Raimund Oster in Gerolstein an, stellte mich vor, erklärte mein Anliegen und fragte, ob er mich treffen könne, es gehe um die tote Katze an seiner Haustür.
»Ich habe mich unbeliebt gemacht.« Er lachte fröhlich. »Aber das nehme ich in Kauf. Ein Treffen wird kurzfristig schwierig, wir können aber gerne telefonieren, Herr
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