Eifel-Krieg
immer noch nicht klar sprechen. Er nuschelte. Wir verabredeten uns in Daun, er kam an und sah aus wie ein Gespenst, wie ein Penner. Sie wollten ihn bestrafen. Und sie haben ihm gesagt, wenn das noch einmal passiert, würde er vom Hof gejagt und …«
»Oh ja, die Erpressung, die niemals funktioniert«, unterbrach ich.
»Wie meinen Sie das?« Sie war unsicher.
»Das ist sehr einfach zu erklären. Ulrich Hahn sagt dem Blue, er solle sich niemals mehr so schlecht benehmen. Wenn er das noch einmal tue, müsse er den Eulenhof verlassen. Aber diese Erpressung funktioniert nicht, weil die Neonazis es überhaupt nicht riskieren können, dass er den Hof verlässt und mit anderen Menschen darüber spricht. Da gibt es nur einen Ausweg …«
»Meinen Sie etwa den Ausweg, Blue zu töten?«
»Nein, das meine ich nicht. Ich meine, dass Ulrich Hahn sich freundschaftlich mit Blue zusammensetzt und ihm sagt, dass Blue mehr Verantwortung auf sich nehmen soll. Er soll also eine größere, eine wichtigere Rolle auf dem Hof übernehmen. Und anfangs klappt das auch, aber es geht unweigerlich schief, weil Blue immer der Typ sein würde, der böse Fragen stellt …«
»Komisch«, unterbrach sie mich und sah mir in die Augen. »Genau das ist auch passiert. Oder hat Ihnen ein anderer den Fall schon erzählt?«
»Ich habe Blue erschossen im Ahbachtal gefunden. Ich habe seine Eltern kennengelernt, und sie sind genauso schrecklich, wie Blue sie beschrieben hat. Aber Sie sind der erste Mensch, der Blue kannte und mit dem ich sprechen kann. Also, was hat Hahn ihm angeboten?«
»Er sollte sämtliche Nebenjobs auf dem Hof bündeln und kontrollieren, darüber Buch führen, die Gelder verwalten, planen. Das ging von Putzhilfen bis zum Schlosser, der neue Toiletten einbaut. Er sagte mir: Die können mich gar nicht mehr rausschmeißen. Und er redete immer von einem Stefan, mit dem er das alles besprach …«
»Hatte der Stefan einen Nachnamen?«
»Den weiß ich nicht. Aber Stefan hatte Ahnung. Jedenfalls schilderte Blue ihn so.«
»Lebte dieser Stefan auf dem Eulenhof?«
»Nein. Blue traf ihn, mal hier, mal da.«
Ich dachte an Blues verschwundenen Rechner in seinem kleinen Appartement. »Wie hat er denn Buch geführt. Auf einem Computer?«
»Nein. In einem dicken, großen Buch, handschriftlich, extra für diese Zwecke. Sie hatten ihm den Computer weggenommen und gesagt, er müsse sich im Glauben an die Sache festigen, er dürfe nicht in Versuchung geführt werden, er müsse sich einfügen in die Gemeinschaft.«
»Es ist mir rätselhaft, warum er das auf sich nahm«, überlegte ich.
»Das ging mir genauso. Aber er sagte, dieser Stefan würde das schon richten, Stefan hätte Erfahrungen mit so was.«
»Haben Sie Erinnerungen an die zeitlichen Abstände? Blue muss vor drei Jahren in die Eifel gekommen sein. Wann tauchte er hier bei Ihnen an den Sonntagabenden auf, wann endete das? Wann fingen Sie an, sich irgendwo mit ihm zu treffen? Seit wann hatte er diesen Stefan erwähnt?«
Sie konzentrierte sich, sah in das Feuer, stand auf, trat ein paar Schritte nach vorn, legte zwei neue Holzscheite in die Flammen, kam zu ihrem Sessel zurück, trank einen Schluck und setzte sich wieder.
»Als er hier bei meinen Diskussionsabenden auftauchte, da liefen die schon ein halbes Jahr. Das müsste also zweieinhalb Jahre her sein. Es muss zwei Jahre her sein, dass er nicht mehr kam, weil es ihm verboten wurde. Dann herrschte Funkstille, mindestens ein halbes Jahr lang. Auf einmal rief er wieder an, und ich kann mich sehr genau an den Termin erinnern. Es war zwei Tage vor Weihnachten. Die Erinnerung ist deshalb so klar, weil ich meiner Mutter versprochen hatte, am Heiligen Abend zu Hause zu sein, und weil ich dann trotzdem absagen musste, da meine Lebensgefährtin krank wurde, sehr krank. Ich traf ihn dann im Januar, dieses erste Treffen war in Euskirchen.«
»Können Sie sich daran erinnern, wann er zum ersten Mal diesen Stefan erwähnte? Tut mir leid, dass ich so beharrlich nachfragen muss, aber Sie sind der einzige Mensch, der uns Klarheit bringen kann.«
»Ja, das betonte die Staatsanwältin auch. Ich denke, dass er das erste Mal diesen Stefan erwähnte, als er sich zum zweiten oder dritten Mal mit mir außerhalb traf. Das müsste vor etwas mehr als einem Jahr gewesen sein.«
»Und wann wurde ihm die Aufgabe übertragen, sich um die ganzen Nebenjobs auf dem Eulenhof zu kümmern?«
»Das müsste zur gleichen Zeit gewesen sein. Ja klar, ich kann mich
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