Eifel-Krieg
hier mit den Leuten nichts am Hut haben.«
Mach es langsam, Baumeister, schleich dich ran, riet ich mir selbst und sagte: »Sie erinnern mich an meine Heimat. Ich komme auch aus dem Pott.«
»Darum kann ich ja auch Klartext reden. Ich höre schon, wenn einer aus der alten Heimat ist.« Sie lächelte für Sekunden und entspannte sich leicht.
Ich sah die großen, dunklen Flecken unter ihren Achseln. Sie schwitzte intensiv, und sie roch auch so. Alles an ihr sah nach einem einsamen Weg aus, alles an ihr deutete darauf hin, dass sie eine Mission im Kopf hatte. Aber diese entscheidende Frage durfte ich nicht stellen.
»Ich bin neulich bei euch gewesen und traf auf Ihren Sohn Ulrich und diesen Veit Glaubrecht. Ich wollte nur ein paar Auskünfte als Journalist. Und Glaubrecht schlug mich ohne Vorwarnung, er traf mich mitten im Gesicht. Mit einem Schlagring. Sie können das noch gut sehen. Was soll diese Gewalt?«
»Also, das ist Politik, das dürfen Sie mich nicht fragen. Ich bin ja auch nicht so, ich will diese Prügeleien nicht, aber sie sagen eben: ›Es geht manchmal nicht ohne.‹ Es würde ja manchmal auch nicht ohne Krieg gehen, sagen sie.«
»Das ist doch Blödsinn!«, sagte ich heftig.
Sie nickte ganz bedächtig. »Das sehe ich auch so. Nun, ich will mal sagen, die menschliche Gemeinschaft sollte so was nicht brauchen. Das sagte mein Udo auch immer.«
»Ihr Mann, nicht wahr?« Ich wusste, von wem sie sprach. Bodo Lippmann hatte mir von der Familie Hahn aus dem Ruhrgebiet erzählt. Udo Hahn, der Vater von Ulrich Hahn, hatte eine Passion für Rennautos gehabt. Und für Alkohol. »Er starb bei einem Unfall, habe ich gehört.«
»Ja, damals, als alles noch in Ordnung war. Er hatte ein Quad. Bremsleitung reißt, er donnert gegen eine Mauer. Ich wollte nicht mehr leben.«
»Wollen Sie noch ein Schnäpschen?«, fragte ich.
»Kann nicht schaden«, nickte sie und schniefte sehr stark, sie kämpfte mit den Tränen. Ihre Welt war kaputtgegangen und ließ sich wohl nicht mehr reparieren.
»Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Kurz über die Sechzig«, antwortete sie.
»Warum hatte Ihr Mann sich damals für die Eifel entschieden?«
»Nun, das war, als bei uns da oben im Pott alles in die Binsen ging. Zechen zu, Stahlwerke liefen fast ohne Männer, alles mit Computern und so. Er hat dann gesagt: ›Das Einzige, was ich kann, sind Maschinen.‹ Und er war ja dauernd auf dem Nürburgring. Da hat er gesagt: ›Da kann ich was tun. Gute Maschinen in guten Autos.‹ Aber das lief nicht, da hat er sich verschätzt. Außerdem waren hier am Ring ein paar Kfz-Leute, die keinen mehr ins Geschäft ließen. So kam das dann alles.« Sie trank den Schnaps, schloss die Augen und spürte ihm mit Genuss nach.
»Aber da war Ihr Sohn, der Ulrich. Der ist ja wohl ein ganz anderer Typ. Eher einer, der höflich und zurückhaltend ist. Wie alt ist er denn?« Ich dachte: Gott erhalte mir meine Fähigkeit, gut zu lügen!
»Dreiunddreißig ist er jetzt. Also, der ist wirklich ganz anders. Hat ja keiner angenommen, konnte ja keiner wissen. Aber der Hagen Weidemann hat immer schon gesagt: ›Der Junge ist gut, ganz hell in der Birne, den muss man fördern.‹ Aber ich bin ja hier, um das mit meinen Enkeln auf die Reihe zu kriegen.«
»Wer ist denn Hagen Weidemann?«
»Also, der hat auf dem Hof das beste Appartement. Schon ewig, von Anfang an. Ist irgendwo vom Niederrhein, von der Kante Wesel weg. Ist Jäger, klar, weil die sind ja alle Jäger bei uns. Also der Hagen hat wirklich was los, und der hat gesagt, Ulrich bräuchte Menatoren, oder wie das heißt. Und der Richard Voigt sagte das auch immer. Aber der ist ja nun nicht mehr. Seit heute. Ist ja schade. War immer ein lustiger Kerl, der Mann.«
»Wer kann denn den Voigt erschossen haben?«
»Das darfste mich nicht fragen. Keine Ahnung.«
»Verstehe ich das richtig? Hagen Weidemann und Richard Voigt haben den Ulrich gesponsort. Wie sah das denn aus?«
»Nun, die haben gesagt, er muss sich umtun, muss auf eine Universität gehen, muss Geschichte studieren. Dann kann er mitreden. Ja, das Abitur hat er nachgeholt, er war ja richtig ehrgeizig. So ist es ja auch passiert. Mein Ulrich hat es wirklich geschafft. Ist ja auch ein kluges Bürschchen, der Junge.« Ihr Gesicht zuckte ein wenig, sie war gerührt. »Und der Voigt ist ja nun ein Studierter und schnibbelt an Frauen rum, dass die besser aussehen, und der hat seine Kumpels aus’m Osten rübergeholt, dass die hier singen
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