Eifel-Krieg
›Deutschland, Deutschland über alles‹. Und sie tragen alle so komische runde Käppis und Schärpen wie früher die im Schützenverein. Da war richtig Rummel bei uns, das kann ich dir sagen.«
Ich dachte erschrocken: Um Gottes willen, Mädchen, red dich nicht um Kopf und Kragen! Ich sagte: »Ja, der Voigt hat wohl seine studentischen Burschenschafter rübergeholt aus dem Osten. Das habe ich gehört.« Mach es langsam, mein Sohn, dachte ich. Sie will reden, also lass es zu, gib ihr die Chance.
»Ja, so heißen die. Burschenschafter. Sind ja alles Studenten, haben einen richtigen Verein, aber davon habe ich keine Ahnung. Waren aber auch Ältere dabei, so wie mein Alter. Alte Herren, sagten die. Sind mit zwei Bussen gekommen. Aus Weimar. ›Alle für einen, und einer für alle‹, sagten die. Und die haben gesoffen, das glaubst du nicht.
Ein Heller und ein Batzen
haben die gesungen. Junge, da war was los, da war Gesang in der Truhe.«
»Hagen Weidemann und Richard Voigt haben Ihrem Ulrich das Studium bezahlt, oder?«
»Nun, der Voigt hat ja den Doktor. Ein lustiger Bursche, sagt immer: ›Ich schnibbele den Weibern, was sie wollen, wohin sie wollen. Hauptsache, sie beschweren sich nicht.‹« Sie versuchte ein Lächeln, aber das gelang ihr nicht. »Ja, die haben meinem Ulrich alles bezahlt. Die Bücher und den ganzen Kram, und die Bude, und das Leben, damit er lernen konnte. Und die Weiber waren hinter ihm her, das hältst du nicht aus.«
»Aber ich habe gehört, dass der Ulrich auch geheiratet hat. Stimmt das?«
»Ja, das stimmt. Das hätte er besser gelassen. Die Lee-Ann war das. Hübsch und jung und wild. Ging nicht gut, konnte gar nicht gut gehen. Sie kriegte dann ein Kind, den Thor. Damit fing das schon mal an. Lee-Ann wollte nicht, dass der Junge Thor heißt. ›Das ist doch Kappes‹, hat sie gesagt. Na ja, sie hat dann gesagt: ›Ich haue ab.‹ Hagen Weidemann hatte Krach mit ihr. Hat ihr mal vorgeschrieben, sie müsste immer zu den heiligen Gedanken stehen und notfalls dafür auch auf den Strich gehen, alles geben. Sie hat geschrien: ›Du hast ja den Arsch offen, Mann!‹ Jetzt sitzt sie in Duisburg, da kam sie auch her. Also, junge Leute haben es heutzutage schwer, sage ich mal. Aber meine Enkel sind alle sauber, da lass ich nichts drauf kommen.«
»Auf welche Universität ist denn der Ulrich gegangen?«
»Dresden«, sagte sie. »Und später dann Weimar. Aber das ist nicht mein Ding, davon weiß ich nichts.«
»Sie haben aber doch noch einen zweiten Sohn, oder?«
»Ja, habe ich. Mein Gerry. Also, er heißt Gerhard Wotan. Das wollte mein Udo so. Er stand auf diese nordischen Namen. ›Ist eine gute Rasse‹, hat er immer gesagt, ›erstklassiges Material.‹«
»Wie alt ist Gerry?«
»Vierundzwanzig. Er ist ein Stiller, also er redet nicht viel. Er kam ja, als ich dachte, ich kann keine Mutter mehr werden.« Sie überlegte einen Augenblick. »Er ist zart«, sagte sie dann versonnen und nickte dazu sehr energisch. Dann bat sie unvermittelt: »Kann ich noch einen Kurzen haben?«
»Aber gerne.« Ich goss ihr erneut ein. »Was ist denn der Hagen Weidemann für ein Mensch?«
»Sehr energisch!«, antwortete sie augenblicklich. »Also, mein Ulrich sagt immer: ›Der ist ein absoluter Winner.‹ Auch so ein blödes, englisches Wort. Da hat ja kein Mensch Durchblick. Weidi, manchmal heißt er so, ist ja Rechtsanwalt. Aber da arbeitet er nicht mit. Er macht in Immobilien, also Häuser und Grundstücke und so. Der hat richtig Kohle, der schwimmt drin. Und jetzt hat er diesen Trick mit den Waldgrundstücken durchgezogen. Und wir lachen uns kaputt, weil er sagt: ›Eines Tages müssen die auf meinen Hof kommen, und ich diktiere den Preis.‹«
»Das verstehe ich nicht«, bemerkte ich.
»Na ja, kannst du auch nicht verstehen, wenn du nicht weißt, um was es geht. Also, sie wollen doch diese Riesenwindräder hier im Wald aufstellen, jede Gemeinde will das. Und als das alles noch nicht in trockenen Tüchern war, als sie das alles planten, ist Weidi hingegangen und hat die Felder und Wiesen vor den Wäldern gekauft. Waldstücke auch, klar. Kein Mensch hat das mitgekriegt. ›Wenn sie die Dinger aufstellen wollen‹, sagt Weidi, ›dann müssen sie neue Straßen bauen, auf denen die Dinger transportiert werden, und sie brauchen mein Land, um das zu tun.‹ Also irre, dieser Mann, der hat richtig was los.«
»Und er ist Jäger?«
»Er ist Jäger«, bestätigte sie. »Er ist auch der Beste auf dem Hof, also
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