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Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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unversehens heftig und wütend. »Ich verstehe diese Geheimnistuerei nicht. Und das hier ist auch nichts fürs Vaterland. Das ist eine Sache der Strafverfolgung.«
    Bodo saß da auf seinem Hintern auf dem weichen Teppich aus alten Tannennadeln, kaute auf einem kleinen Zweig herum und hatte große Augen, die blitzschnell die ganze Welt erfassen wollten. Da zeigte sich kindliches Erstaunen, er erlebte gerade etwas, das er seiner Frau und seinen Kindern erzählen konnte, das war eine ganz fremde Welt. Er trank sie förmlich.
    »Kommen jetzt alle deine Leute durch die Anlage?«, fragte ich Tessa.
    »Aber ja. Und sie machen an jeder Tür Halt. Das kannst du mir glauben.«
    »Ich verteile sehr selten Orden«, sagte ich.
    Sie lächelte schnell und war dann wieder ernst. »Herr Lippmann, Siggi, ich muss jetzt etwas fragen. Der Mann hier wurde offensichtlich erschossen. Fällt an dem Toten irgendetwas Besonderes auf?«
    »Nichts«, sagte ich. »Mit Ausnahme einer Kleinigkeit. Sein Auto steht oben am Waldrand etwas abseits geparkt. Es ist nicht fahrbereit, der linke hintere Reifen ist platt. Ich habe die Luft herausgelassen, weil ich nicht wollte, dass der Mann uns durch die Lappen geht.«
    Tessa sah mich an, neigte kurz zu Gelächter, riss sich aber zusammen.
    Bodo betrachtete mich, als wäre ich ihm wildfremd. »Ich habe keine Erfahrung mit so was«, nuschelte er. »Mir fällt an dem Mann nix auf. Wirklich nix Besonderes. Also, ja, er ist tot.«
    »So sehe ich das auch«, sagte Tessa. »Dann müssen wir jetzt warten, bis unsere Spezialisten kommen.« Sie holte ihr Handy hervor und begann zu telefonieren, und ich wusste aus Erfahrung, dass sich das in den nächsten zwei Stunden nicht ändern würde. Sie war eine sehr hübsche Handyfrau.
    Ich stopfte mir eine Zebrano von
Stanwell
, ein uraltes Stückchen aus den Zeiten, in denen ich wesentlich schlanker gewesen war. Ich paffte blaue Wolken in die Waldluft und dachte darüber nach, was wir wirklich hatten, was gerichtsfest sein würde.
    Wir hatten ein wildes Kaleidoskop an Gerüchten, das sich um den Hof der sogenannten Neonazis rankte. Wir hatten zwei Schwerverletzte durch Prügel, wir hatten einen Schwerverletzten durch eine Gewehrkugel, wir hatten drei Tote durch Schusswaffen. Dann konnte Bodo Lippmann aussagen, dass er eine Gruppe um ein Lagerfeuer erlebt hatte, in der ein Hitlertext vorgelesen wurde. Nachteil: Es war eine Darstellung der Gegenseite denkbar, dass der Hitler-Text diskutiert worden sei, um sich geschichtlich damit auseinanderzusetzen. Ich hatte gehört, und zwar direkt von der Mutter des Ulrich Hahn, dass Sprüche wie »Juden raus!« und »Reine Rasse Eifel!« skandiert worden waren. Aber ich konnte das nicht aussagen, ohne die Frau massiv zu gefährden. Und ich hatte ihr mein Wort gegeben, zu schweigen. Es gab weiterhin die Annahme, dass drei Jugendliche vom Eulenhof Rodenstock und den Fotografen des SPIEGEL Guido Perl bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt hatten. Ich musste dies als »Annahme« formulieren, weil völlig unklar war, ob Rodenstock und der Fotograf die Jugendlichen mit Sicherheit identifizieren konnten. Es gab die Ehefrau des angeschossenen Jägers Alfons Marburg, die uns fassungslos erzählt hatte, dass sie ihren Mann erlebte, wie er den Holocaust der Nazis leugnete. Würde diese Frau als Zeugin vor Gericht erscheinen? Niemals! Es gab den erschossenen Schönheitschirurgen Doktor Richard Voigt, der eindeutig einen sehr direkten Kontakt zu Burschenschaften im Osten des Landes gepflegt hatte, hierüber zumindest hatte die Staatsanwaltschaft verlässliche Erkenntnisse. Und diese Burschenschafter hatten den Eulenhof besucht, eine große Sause veranstaltet, das Deutschlandlied Strophe eins gesungen. Ich konnte die Stimmen der Verteidiger hören, die sagen würden: »Herr Baumeister, wollen Sie neuerdings in private Sphären eindringen? Das hat doch den Charme von betrunkenen Stammtischen!« Ich konnte hören, wie sie verlangten: »Bringen Sie uns einen direkten Zeugen, Herr Baumeister!« Wir hatten den Chef des Eulenhofs, den vierundsechzigjährigen Doktor Hagen Weidemann, der zweifelsfrei sehr weit rechts und der NPD nahe stand. Wir hatten denselben Weidemann, der einer Sechzehnjährigen anhand einer vorgeführten Nutte beigebracht hatte, dass eine richtige deutsche Frau sich so niemals benehmen dürfe. Würde es Zeugen dafür geben? Antwort: Niemals!
    In summa: Wir hatten wenig, eigentlich nur Gerede.
    Wir mussten uns darauf konzentrieren, einen

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