Eifel-Krieg
stehen und sagte leicht leiernd: »Lee-Ann, ich soll dir Grüße ausrichten von Ulrich. Er sagt, du kannst morgen früh reinkommen, dann ist er da. Heute ging das ja nicht wegen der Polizei.«
Er trug unter seinem Jackett ein schwarzes T-Shirt, auf dem in Weiß die 88 aufgedruckt war, und er roch sehr stark nach Schweiß.
»Falls ich störe, ich kann um die Ecke gehen«, bemerkte ich hastig.
»Nicht doch!«, sagte sie heftig und hob eine Hand, als wollte sie mich aufhalten. »Wann soll ich kommen?«, fragte sie Glaubrecht sachlich.
»So gegen neun, das würde passen«, antwortete er. Glaubrecht hatte eine sehr hohe Stimme. Und er hatte irritierend helle Augen, was mir auf dem Eulenhof gar nicht aufgefallen war.
»Okay«, sagte sie. »Ich komme dann.«
»In Ordnung. Ich gebe Bescheid.« Das klang sehr förmlich. Er drehte sich um und ging zum Ausgang.
»Das finde ich jetzt gar nicht gut, dass der Sie mit mir zusammen gesehen hat«, sagte ich leise.
»Das bedeutet nichts«, sagte sie milde. »Die würden mir niemals etwas antun, nur weil ich hier mit Ihnen sitze. Und Ihnen auch nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Bin ich«, sagte sie. »Ganz sicher.«
»Das erscheint mir zweifelhaft. Die haben mich nicht nur verprügelt, die haben mir auch eine tote Katze in die Haustür gehängt. Und die Innereien in einer Plastiktüte obendrauf.«
»Das ist Veit, so war er immer schon.«
»Woher kriegt er die Katzen?«
»Kein Problem, denke ich. In der Eifel gibt es Katzen genug.«
»Sie haben anscheinend gute Nerven«, sagte ich.
»Ich habe lange daran gearbeitet«, erwiderte sie. »Das war gar nicht einfach.«
Ich sah sie an und versuchte, in ihren Augen zu lesen. Dann fiel es mir ein, und ich musste unwillkürlich kichern. »Ich verstehe. Sie haben die im Sack. Entschuldigen Sie den Ausdruck.«
»Schon okay«, lachte sie strahlend. »So kann man es nennen. Wenn ich will, wackelt der Bauernhof.«
»Aha«, murmelte ich, und wahrscheinlich sah ich dümmlich aus. »Also dann: Herzlichen Glückwunsch!«
»Aber den Hintergrund verrate ich Ihnen nicht«, stellte sie lachend fest.
»Dann wünsche ich Ihnen eine gute Zukunft, bedanke mich und mache mich vom Acker. Und den Rest will ich gar nicht wissen.«
Ich fand sie richtig gut und dachte: Mehr von der Sorte, und wir bräuchten uns nicht über den Eulenhof aufzuregen.
Ich bog gut gelaunt auf meinen Hof ein. Tessas Audi stand dort, und im Wohnzimmer brannte Licht. Es war erst halb zehn an diesem Abend, und ich hoffte, er würde noch eine Weile dauern.
Sie saß in einem Sessel und machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Sie drehte den Kopf in meine Richtung und formulierte trocken und vollkommen tonlos: »Guten Abend!« Sie sah mich nicht einmal an.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Also, wir haben eine neue Special Unit am Hals. Landeskriminalamt, Bundeskriminalamt. Wir waren bei Markus Schröder in Niederehe und saßen in dessen Saal. Zunächst ist beschlossen worden, dass wir eine Nachrichtensperre verhängen. Kein Wort mehr zu irgendwem, bis die Leitung des BKA andere Weisungen gibt. Das Bundeskriminalamt hat mich als einzige Person ausgewählt, deren Fragen in den jetzt anlaufenden Ermittlungen jederzeit beantwortet werden. Ausschließlich zur Verwendung in der Sache. Kischkewitz ist stinksauer, und er hat recht. Holger Patt hat vor versammelter Mannschaft skandiert: ›Jetzt kriegen wir alle eine Rassel in die Hand gedrückt und dürfen BUH! machen.‹«
»Wenn ich das richtig begreife, ist das aber auch eine Riesenchance für dich. Seit wann hockst du denn hier?«
Sie sah auf die Uhr. »Seit zwölf Minuten«, sagte sie. »Und wie war deine Königin von Saba?«
»Erfrischend«, antwortete ich. »Ich nehme an, die Frau hat den Eulenhof fest im Griff. Sie weiß wahrscheinlich Dinge, die andere nur ahnen. Bemerkenswerte Person.«
»Kischkewitz hat nach dem Gespräch mit der Frau das Gleiche vermutet. Gibt es auf diesem Anwesen überhaupt einen normalen Menschen?«
»Der Normalste von denen scheint Gerhard Wotan Hahn zu sein, der jüngere Bruder von Ulrich. Seine Ex-Schwägerin Lee-Ann Hahn hat ihn als eine herausragende, bemerkenswerte Person geschildert. Er hat sogar den Weidemann gestoppt.«
»Könntest du mich vorübergehend auch als bemerkenswerte Person empfinden? Ich würde gern mit dir ins Bett gehen und sämtliche Neonazis vergessen.«
»Das ist ein sehr schöner Plan!«, bemerkte ich. »Perfekt formuliert, reif zur sofortigen Umsetzung und
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