Eifel-Krieg
setzte mich mit einem Kaffee auf meine Terrasse und sah den Rotschwänzchen zu, die sich übermütig jagten. Die Amseln hatten ihren Kindern das Fliegen beigebracht und konnten endlich etwas für sich selbst tun – sie waren scharf auf meine Regenwürmer. Dann begann es sanft zu regnen, und ich war melancholisch genug, das sehr schön zu finden.
Irgendwann meldete sich mein Telefon, aber ich ließ es klingeln. Ich hatte für heute von Telefonen genug. Dann klingelte es wieder, und ich sagte: »Nein!«, ging aber trotzdem hin.
»Ich habe gehört, Sie haben mich angerufen. Ich bin Lee-Ann Hahn, also die Ex von Ulrich.«
»Danke, dass Sie anrufen. Ich möchte gern mit Ihnen sprechen. Ich möchte herausfinden, was dieser Ulrich Hahn für ein Mensch ist. Und ich möchte herausfinden, warum Sie keine Angst vor dem Eulenhof haben.«
Sie stutzte, dann fragte sie: »Woher wissen Sie das?«
»Vom Leiter der Mordkommission Kischkewitz. Sie haben ihn kennengelernt. Aber ich fürchte, ich muss Ihnen Umstände machen, denn per Telefon oder im Internet führe ich keine Unterhaltung. Ich brauche lebendige Menschen, wenn es eben geht.«
»Sie sind Journalist?«
»Ja. Aber ein altmodischer.«
Jetzt lachte sie kurz, es war ein freundliches Lachen. »Waren Sie etwa auch hinter dem Hof, wo heute der Unbekannte erschossen wurde?«
»Ich bin der, der ihn gefunden hat. Woher wissen Sie davon?«
»Ich bin hier«, sagte sie. »Ich meine, ich bin im Hotel. Ich war heute im Eulenhof, ich wollte meinen Exmann sehen, wir hatten da was zu klären. Das kommt nicht oft vor, aber hin und wieder schon. Plötzlich kam die Polizei mit Riesenbrimborium und, schwups, war ich draußen. Die wollten mich nicht, ich wohne da ja nicht. Ich wusste gar nicht, was eigentlich passiert war.« Sie lachte wieder, kurz und ungezwungen. Die ganze Sache schien sie tatsächlich zu erheitern.
»In welchem Hotel sind Sie denn?«
»Im
Panorama
in Daun. Wenn wir es nicht so kompliziert machen, können wir uns hier treffen.«
»Wann denn?«
»Na, jetzt. Oder? Schließlich bin ich auch neugierig.«
»Das ist sehr gut. Ich bin schon unterwegs.«
Ich schrieb einen Zettel für Tessa:
Treffe kurz die Königin von Saba!
Dann war ich auch schon aus dem Haus.
Lee-Ann Hahn war eine junge, schlanke Frau mit einer dunklen Herrenfrisur. Die war allerdings so neckisch mit einer Welle vor ihrem Gesicht drapiert, dass sie wie eine Figur von Shakespeare wirkte: Der Schelm, der ewig lacht und auch noch lachen wird, wenn er dem Tod begegnet. Ihre Augen waren dunkelbraun und groß. Sie trug eine enge, schwarze Jeans und ein ebenfalls schwarzes Top dazu. An den Füßen hatte sie Sneakers, schwarz natürlich, sodass die weißen Sohlen wie Ausrufezeichen wirkten. Kein Schmuck, kein Make-up.
Ich hatte sie von der Rezeption aus anrufen lassen, sie war umgehend in der Lobby erschienen. Wir setzten uns in den kleinen, weißen Wintergarten, bestellten Kaffee und Wasser – und sie bestand auf Martini Bianco.
»Sind die wieder in Mode?«, fragte ich. »Früher lebte man gar nicht, wenn man das Zeug nicht Tag für Tag trank.«
»Das weiß ich nicht. Ich mag das Herbe.« Dann lächelte sie mich an. »Also, was ist los auf dem Eulenhof?«
»Das weiß wohl niemand so genau. Menschen sind erschossen worden, Männer wurden von Jugendlichen halb totgeprügelt. Ich selbst habe Ihrem Exmann die Frage gestellt, ob er denn ein Neonazi sei. Daraufhin wurde ich von Veit Glaubrecht zusammengeschlagen, einfach so. Der Eulenhof ist außer Kontrolle geraten, so sieht es aus. Kein Mensch scheint das Chaos entwirren zu können. Für die Eifel ist das alles gar nicht gut. Und, wissen Sie, die Eifel liegt mir sehr am Herzen. Es gab immer das Gerede von den Neonazis, und wahrscheinlich wollte das niemand so ganz genau wissen. Leider. Aber jetzt ist es sehr laut geworden um diesen Eulenhof.«
»Und das können sie gar nicht vertragen«, sagte sie nachdenklich. »Kann ich offen sein, ohne zitiert zu werden?«
»Selbstverständlich.«
»Ich habe erwartet, dass das eines Tages so kommen würde. Also, ich bin zwar nicht deswegen verschwunden, aber ich habe so etwas erwartet. Ich vergleiche den Eulenhof immer mit einem Gewächshaus. Draußen weht ein frischer Wind, es ist kühl und regnet manchmal. Im Gewächshaus ist es immer warm und unnatürlich stickig, abgeschottet, mit komischen Pflanzen drin sozusagen. Es wundert mich überhaupt nicht.«
»Wann sind Sie weggegangen?«
»Kurz nach der Geburt
Weitere Kostenlose Bücher