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Eifel-Krieg

Eifel-Krieg

Titel: Eifel-Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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antwortete sie.
    Also holte ich Wasser.
    »Sollen wir da am Esstisch reden? Wäre gut. Ist sachlich und geht schneller. Ich habe Ihnen da eine Vereinbarung hingelegt, wie ich dieses Treffen bewerte, und was Sie daraus machen können, wenn irgendetwas erscheinen sollte. Sie können sich daran halten, so wie ich mich daran halte.«
    Sie setzte sich und las. »Ja«, nickte sie. »So ist mir das auch von Direktor Seewald zugesichert worden. Ich habe allerdings auch eine Bedingung: Ich werde keine Namen nennen, egal von wem.«
    »Einverstanden. Aber Sie sagen mir, ob Frau oder Mann?«
    »Das schon.«
    »Und bei den Schülern des Eulenhofs bleiben wir bei den Zwillingen Oliver und Hannes sowie Meike?«
    »Okay, geht klar.«
    »Dann fange ich an. Was hat Sie an den angeblichen Äußerungen und Pöbeleien gegen die drei Schüler vom Eulenhof am meisten erstaunt?«
    »Überhaupt nix. Also eigentlich. Höchstens, dass der Eulenhof erst jetzt reagiert hat und diese Briefe an die Schule, an die Lehrer und an das Ministerium geschickt hat. Wir wissen seit vielen Monaten, seit einem Jahr, von diesen merkwürdigen Erscheinungen bei den drei Schülern. Wir haben oft – ich meine jetzt: alle! – darüber gesprochen, und wir haben auch versucht, mit denen darüber zu sprechen. Und dann plötzlich diese Briefe!«
    »Können Sie mir diese merkwürdigen Erscheinungen, wie Sie das nennen, schildern? Um was geht es da?«
    »Wenn ich das so genau wüsste«, antwortete sie erstaunlicherweise. Dann nahm sie ihre Brille ab und spielte damit in sanften Handbewegungen. Das sah aus, als hätte sie sich das irgendwo abgeguckt und dann ein paar Stunden geübt, bis es richtig saß. »Also, die drei gingen vor ungefähr zwei Jahren auf diesen Eulenhof. Zusammen mit ihren Familien. Ich glaube, die kamen aus dem Ruhrgebiet. Und sie kamen dann auf unsere Schule. Anfangs war das okay, weil auch keiner eine Ahnung hatte, was der Eulenhof ist und so, und …«
    »Was ist der Eulenhof denn?«, fragte ich schnell.
    »Na ja, es heißt dauernd, da wohnen Nazis, also Neonazis. Wir dachten zuerst immer, dass das ja gar nicht sein kann. Ich meine, die Eifel hat doch im Zweiten Weltkrieg ziemlich Schlimmes erlebt. Wir nehmen das in der Schule ja alles durch. Sicher, es gibt immer ein paar Schwachköpfe, aber normalerweise könnte man einem Eifeler doch heute nicht den Krieg erklären. Ich meine, Krieg, das kennt man hier doch – eben Tod und Vernichtung und der ganze Horror. Und dann sitzen in deiner eigenen Klasse plötzlich Leute, die behaupten, der Holocaust sei eine Lüge. Das ist krass, echt krass. Dann sitzt du da und tust genau das, was alle tun: Du redest drüber, hast aber eigentlich keine Ahnung, über was du da redest.«
    »Reden Sie im Moment über Hilflosigkeiten?«, fragte ich.
    »Ja, genau. Echt krass. Und dann kommen unsere Eltern ins Spiel. Ich hab das zu Hause mal erzählt, dass da so komische Leute bei uns an der Schule sind. Und was passiert? Nichts. Mein Vater hat nur gesagt: ›Warte mal ab, Kind, das wird sich klären.‹«
    »Aber was ist mit den Lehrern?«
    »Die sind unsicher, glaub ich. Vielleicht sagen sie es dem Direktor, keine Ahnung. Rudolf Heß, Hitlers Stellvertreter bei den Jugendbünden der Nazis, ist plötzlich ein Idol, ein Märtyrer. Das sagt eine Sechzehnjährige! Der Lehrer hört das, ist irritiert und sagt dann so total freundlich: ›Darüber sollten wir zwei nach der Stunde mal in Ruhe sprechen.‹ Das ist alles.«
    »Wie alt sind Sie?«
    »Achtzehn.«
    Ich kannte den Tonfall von Achtzehnjährigen, die über Sechzehnjährige reden, als wären das kleine Kinder, um die man sich sorgen muss. Ich entschied, das Altkluge zu ignorieren und lieber hinzuhören, was Tina zu sagen hatte. Nur wenn ich sie ernst nahm, würde ich etwas in Erfahrung bringen können. »Ich nehme an, die drei haben sich im Laufe der Zeit stark verändert?«, fragte ich.
    »Genau das war es ja eben. Anfangs scheue Hühner, dann immer mehr Selbstsicherheit. Und immer dieses Grinsen, als könnten sie alles besser, als wüssten sie viel mehr als wir, als wären wir die Zurückgebliebenen. Das geht einem mit der Zeit echt auf den Keks.«
    »Was hat Sie an dieser Meike am meisten aufgeregt?«
    Sie überlegte eine Weile. »Dass da eine Sechzehnjährige in der Klasse sitzt und von den Aufgaben der deutschen Frau redet.«
    »Was sind das für Aufgaben, laut Meike?«
    »Ganz einfach: Heiraten, Kinderkriegen, den Haushalt schmeißen, dem Mann bei der

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