Eifel-Liebe
was redest du für einen Scheiß!
Eine Weile herrschte Schweigen.
»Er war mein Mann«, erklärte sie auf eine endgültige, nachdenkliche Weise. »Wir wollten heiraten. Wir hatten alle Papiere. Da in der Schublade sind alle Papiere. Da fehlt nix. Der Kaplan hat gesagt, er macht uns eine Traumesse, und er predigt auch gut, wie es Sitte ist.«
»Wann sollte die Hochzeit denn stattfinden?«
»In acht Wochen«, antwortete sie sofort. »Hier. Am Sonntag in acht Wochen. Wir hatten alles geregelt und alle Papiere zusammen.« Sie glitt zur Seite und zog eine Schublade am Fuß eines Glasschrankes auf, in dem allerlei Porzellan und Nippes stand. Sie griff einen roten Aktenordner heraus und legte ihn in meinen Schoß: »Da fehlt nichts. Guck ruhig rein. Nichts fehlt.«
»Das ist doch sehr persönlich«, wehrte ich ab.
»Nichts fehlt«, wiederholte sie.
Ich schlug den Aktenordner auf und dabei rutschte mir ein senfgelbes kleines Lederbuch entgegen. Stammbuch der Familie war es in Reliefdruck betitelt. Außerdem enthielt der Ordner Unterlagen der Verbandsgemeinde, Grundstückssteuerbescheide, Steuerkarte, Sterbeurkunden, Bestellung eines Aufgebotes, Durchschläge von Briefen an Behörden. Und ein einzelnes Blatt, offenbar eine Kopie, Titel: Mein Testament, handschriftlich und flüssig mit einem Kugelschreiber auf ein liniertes DIN-A4-Blatt geschrieben. Da stand:
Hiermit vermache ich mein gesamtes Vermögen, mein Geld auf der Bank, meine Sparbücher, mein Haus und alles, was an Wald und Feld dazugehört, meiner Braut und zukünftigen Frau, Beate Laach aus Münstermaifeld.
Meerfeld am 1. Mai 2002.
gez. Georg Kleiber in Meerfeld.
»Das ist sehr schön von ihm, das mit dem Testament«, sagte ich mit trockenem Mund. Plötzlich wollte ich aus diesem Raum heraus, wollte flüchten. Ich fühlte mich wie ein Einbrecher.
Eine Schmeißfliege tobte laut vor dem hellen Viereck des rechten Fensters und versuchte durch das Glas zu brechen.
Bea murmelte tonlos: »In diesem Haus sind immer Fliegen. Kinsi hat immer gelacht, wenn ich darüber geschimpft habe. So war er. Er hat irgendwie immer gelacht. Jeden Tag.«
Sie hatte sich wieder auf die vordere Kante des Sessels gesetzt. »Er wollte, dass alles in Ordnung ist«, nickte sie ernsthaft. »So war er nun mal. Er hat das Testament zu einem Rechtsanwalt gebracht. Ich weiß nicht, wo der wohnt, aber das ist ja nun egal.«
»Er konnte gut schreiben«, meinte ich behutsam. »Sehr flüssig.«
»O ja«, nickte sie und ein schnelles Lächeln erschien um ihren Mund. »In der letzten Zeit schrieb er ziemlich viel. Er hat mir einen Brief geschrieben. Und er hat auch einen Zettel in den Brief gelegt. Da steht ein Gedicht drauf. Na ja, kein richtiges Gedicht, weil es reimt sich nicht. Das war für mich.«
Sie stand plötzlich auf, als sei jemand ins Zimmer getreten, vor dem sie strammstehen müsste. Sie griff unter den geblümten Kittel und zog aus der Gesäßtasche der Jeans ein abgegriffenes Kuvert. Sie reichte es mir und sagte dabei beinahe feierlich: »Das ist es. Kannst es ruhig lesen. Ist ja nun … ist ja nun vorbei.«
Bea war eine einfache Frau, aber sie war nicht dumm. Sie hatte genau verstanden, dass etwas in ihrem Leben zerbrochen war und dass sie in aller Zukunft damit leben musste. Mir wurde klar, dass sie so in ihrem Schmerz versunken war, dass sie mich eigentlich gar nicht bemerkte. So war es auch nicht verwunderlich, dass sie mich gar nicht fragte, wer ich denn sei.
Langsam sagte ich: »Das ist wohl niemals vorbei.«
Sie sah mich kurz an und nickte ebenso kurz. »Richtig. Aber was willst du machen?« Nach einer unendlichen Pause wiederholte sie: »Du kannst den Brief lesen.«
Ich zog das Papier aus dem Kuvert und faltete es auseinander.
Meine Bea!
Du wirst meine Frau sein. Ich bin glücklich. Ich will für dich sorgen. Ich lege dir etwas bei, das ich für dich geschrieben habe. Am nächsten Wochenende bin ich bei dir.
Dein Kinsi
Auf einen Fetzen liniertes Papier hatte dieser seltsame Selbstmörder mit Bleistift notiert:
Wie ein Zigeuner
ist mein Herz
so weit gegangen.
Doch eh es müde wurde,
fand es dich,
klopfte an
und ward hineingelassen.
Das war mehr als erstaunlich.
»Komisch. Ein Mann im Dorf erzählte mir, Kinsi könne kaum schreiben.«
Bea lächelte flüchtig. »Er wusste, dass die Leute das glauben. Es machte ihm nichts.«
»Hat er das Dorf bewusst verarscht?«, fragte ich.
»O nein«, antwortete sie. »So
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