Eifel-Liebe
Gewissen.«
»Sie brauchen kein gutes Gewissen«, erklärte ich. »Ihre Wahrheit reicht schon.«
»Aber ich weiß es doch nicht.« Zum ersten Mal schien sie hilflos.
»Ich schließe mich an«, murmelte Rolli. Er trank noch einen Schluck von seinem Schnaps. »Ich stehe dazu: Sauber sind die alle nicht. Aber Mord? Nein, eher keiner von denen.«
»Aber jemand hat es getan«, stellte Tante Anni strahlend fest. »Na ja, im Laufe der Zeit wird sich das klären.«
»Ich muss jetzt heim.« Oma Ohler nestelte an ihrem Täschchen herum. »Ich habe versprochen, die Kinder zu versorgen. Anna muss irgendwelche Kunden von Bliesheim besuchen.«
Es war still und es war sehr peinlich.
»Anna und ihr Lieblingsschwanz!«, stießt Rolli hervor. Seine Stimme war dunkel. Dann erhob er sich und sah mich an. »Wenn du was schreibst, kannst du dann verschweigen, dass ich hier war?«
»Ich schreibe noch nicht«, antwortete ich. »Erst wenn die Geschichte ein Ende gefunden hat.«
Oma Ohler stand seltsam verloren herum und drehte ihr Täschchen vor dem Bauch. Sie sagte: »Tja.« Was wie eine Einleitung zu einer längeren Bemerkung begann, endete ohne ein Wort. Sie wirkte verlegen und die tausend Falten in ihrem Gesicht erzählten eine uralte Geschichte von Hoffnungen und Niederlagen. Und von Furcht, jetzt war da eindeutig auch Furcht.
»Wir haben nicht viel herausgefunden«, sagte ich beruhigend. »Aber das macht nichts, die Polizei wird weiterkommen.«
Plötzlich erschien ein sanftes Grinsen auf ihrem Gesicht. »Das ist mir scheißegal, wie man so sagt. Ich muss bloß immer dran denken, was wohl noch passieren wird …«
»Das muss man aushalten«, bestimmte Tante Anni barsch.
»Das muss man gar nicht aushalten«, widersprach ich. »Oma Ohler, ich habe eine Idee: Da Sie eine kluge Frau sind, könnten Sie doch alles aufschreiben, was Sie wissen. Alles, was mit der Clique zusammenhängt, alles, an was Sie sich erinnern können. Sie ordnen das Ganze zeitlich, dann werden wir wesentlich klarer sehen können. Wenn Sie etwas nicht mehr genau wissen, dann rufen Sie Rolli an. Vielleicht weiß der es dann besser.«
»Das könnte ich versuchen«, nickte sie nach einigen Augenblicken des Nachdenkens.
Tante Anni und ich warteten in der Haustür und sahen zu, wie sich die beiden in das Auto setzten und uns noch einmal zuwinkten. Es war das Auto, das Rolli jenem Mann verdankte, der ihm Hörner aufgesetzt hatte.
»Du bist ein richtiger Sausack!«, seufzte Tante Anni zufrieden. »Lässt die alte Frau etwas aufschreiben, was dir Arbeit erspart und gleichzeitig den ganzen Cliquenplan liefert.«
»Ich dachte dabei mehr an Oma Ohler«, erwiderte ich. »Nicht an mich. Ich werde das nicht gebrauchen können, aber ihr nützt es vielleicht. Sie hat was zu tun, bis etwas geschieht oder der Spuk vorbei ist. Aber ich fürchte auch, dass noch mehr passieren wird, aus dieser Geschichte ist noch lange nicht die Energie raus.«
»Ein Albtraum«, murmelte Tante Anni. »Und jetzt, mein Lieber, mache ich dir Kartoffeln, Spinat und Spiegeleier. Das ist nämlich etwas, das wir noch im Haus haben.« Sie tippte mir mit dem Zeigefinger gegen die Brust. »Ich wollte dir noch sagen, dass ich für das Asyl hier dankbar bin. Alte Menschen werden hierzulande beschissen behandelt. Und dabei habe ich mir für dieses Land ein Leben lang den Arsch aufgerissen. Ich möchte wissen, warum Gottvater mich so dämlich sein ließ.«
»Du lieber Himmel, du kannst ja richtig vulgär sein!«, rief ich anerkennend.
»Du solltest mich erleben, wenn ich in Fahrt komme!«, grinste sie und verschwand in der Küche.
Mein Hund trollte aus dem Garten heran, meine Katzen folgten. Ich erklärte ihnen unsere neue soziale Lage und versicherte: »Sie ist eine nettes, altes Luder und sie wird euch mögen, euch heimlich jede Menge Süßigkeiten zustecken, bis ihr kotzt. Wir müssen ihr Zeit lassen, damit sie zu einer Entscheidung kommen kann.«
Cisco bellte zustimmend, was aber nichts besagte, da er nach etwas längeren Erklärungen seines Herrn in jedem Fall bellte.
Ich versprach: »Ich habe noch eine Glas Würstchen. Geflügelwürstchen. Die mag ich nicht und Tante Anni hat sie noch nicht gefunden. Ich schenke sie euch!«
Ich ging in die Küche und langte in den großen Hängeschrank, um das Glas mit den Würstchen herauszuholen. Den misstrauischen Augen meiner älteren Mitbewohnerin erklärte ich: »Da du das alles für vollkommen hirnrissiges Menschenfutter
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