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Eifel-Liebe

Eifel-Liebe

Titel: Eifel-Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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denke, dass die Vernehmungsspezialisten von heute da anders vorgehen«, wagte ich einzuwenden.

    »Wie wollen wir denn sonst was erfahren?«, giftete sie. »Seine Frau ist gestern Abend erschossen worden. Also wird er, wenn er denn abends an diesem Weinfelder Maar gewesen ist, diesen Zeitpunkt ängstlich vermeiden. Er muss ihn umgehen, wir dürfen nicht dran rühren. Also: Wir erwähnen seine tote Frau mit keinem Wort und versuchen herauszufinden, wo er war. Klar? Wo ist die Kognakflasche? Und ein sauberes Glas? Und Gebäck? Hast du Gebäck?«

    Was sie sagte, hatte durchaus Hand und Fuß.

    »Gebäck? Was soll ich mit Gebäck? Vielleicht findest du irgendwo Salzstangen, die den Dreißigjährigen Krieg überlebt haben.«

    Tante Anni hielt inne und starrte vor sich hin. »Was ist mit Musik? Hast du Musik? Irgendwas Sanftes. Wir müssen ihn einlullen.«

    »Einlullen? Denkst du an Sah ein Knab ein Röslein stehn, meinst du so was?«

    »Nicht schlecht. Hast du Lieder von Brahms?«

    »Willst du, dass er auf der Stelle einschläft? Wir nehmen, wir nehmen, ja, was nehmen wir? Nina Simone mit I love you, Porgy und ähnlichen Titeln. Der Knabe, der das Röslein stehen sah, ist seit zweihundert Jahren Staub.«

    Zwanzig Minuten später war die Bühne hergerichtet, nachdem Tante Anni zuletzt noch in den Garten gestürmt war und mit einer Hand voll später Margeriten den Wohnzimmertisch verschönert hatte. Nie im Leben hatte ich für einen männlichen Gast eine derart harmonische Kulisse aufgebaut. Einlullen war durchaus das richtige Wort.
    Als Rolli wenig später eintraf, betete ich hilflos: Hoffentlich merkt er nix, hoffentlich merkt er nix!

    »Hallo, das Haus!«, sagte er aufgeräumt und unheimlich gut gelaunt. Die Erschöpfung schien von ihm abgefallen, er wirkte wie neu, wie gut erholt.

    Beim Anblick meines Wohnzimmertisches rieb er sich strahlend die Hände: »So habe ich mir das vorgestellt.« Dann setzte er sich und begann zu spachteln wie ein zu fetter Polier nach einer Zwölf-Stunden-Schicht.

    »Du warst in Koblenz?«, fragte ich und stopfte mir eine leicht gebogene Giordano, glänzend wie Schiffslack.

    »Ja«, gluckste er. »Also, es war … es war ein Fest. Ich sitze zu Hause rum und weiß nicht, wohin mit mir. Da ruft eine Frau an, Simone heißt sie. Ich erinnere mich an eine Simone in der Volksschule. Und siehe da, sie ist es.« Ein Biss in eine Scheibe Brot mit Leberwurst nach Gutsherrenart, ein Schluck Kaffee, ein glückliches Mampfen. »Na ja, wir reden so. Und plötzlich sagt sie, ob es mir nicht mal gut täte, nach Koblenz zu kommen. Wir könnten uns treffen, reden und so. Ich dachte sofort: O ja! Wieso nicht? Wir haben uns also verabredet, ich habe mich auf den Bock gesetzt und bin nach Koblenz gefahren.« Er grinste. »Ich wusste gar nicht mehr, wie sie aussah. Wir waren in einem kleinen schnuckeligen Restaurant in der Altstadt.« Ohne Punkt und Komma wieder ein Biss, wieder ein Schluck Kaffee, ein gedehntes, lustvolles »Ahhh«. »Und jetzt eine Zigarette. Aber noch nicht abräumen, ich esse gleich weiter.«

    »Sicher doch«, sagte Tante Anni freundlich und sah ihn an, als handele es sich bei ihm um eine völlig neu entdeckte Insektenart. »Anscheinend haben Sie das Zusammensein mit der Frau genossen?«

    »O ja«, sagte er, grinste wieder und setzte hinzu: »Ich wusste ja gar nicht mehr, wie das geht.«

    »Bestimmt hast du ihr deine Geschichte erzählt«, sagte ich matt.

    »Klar. Das tat richtig gut. Wir haben uns gegenseitig erzählt, wie unser Leben gelaufen ist. Und später am Abend hat sie dann gesagt, eigentlich könnte ich doch in Koblenz bleiben. Sie kannte ein kleines Hotel, da haben wir uns mit Sekt und Brötchen aufs Zimmer zurückgezogen und, Mensch, ich hatte richtig Angst …«

    »Ob Sie als Mann noch funktionieren«, ergänzte Tante Anni verständnisvoll.

    Einen Augenblick lang sah er sie erstaunt an. Dann nickte er. »Ich wusste es ja nicht. Mit Anna war ja seit mehr als einem Jahr nichts mehr und ich hatte auch keinerlei Bock drauf.«

    »So wie du strahlst, ist es gut gelaufen«, stellte ich behutsam fest. Meine Pfeife brannte nicht richtig, ich zündete sie zum vierten Mal an.

    »Es ist wirklich gut gelaufen. Wir wollen uns wieder treffen, sie ist ein Klassetyp.«

    »Sie waren also die ganze Nacht in Koblenz. Erst im Restaurant, dann in dem kleinen Hotel?« Tante Anni fragte das zugetan und selbstverständlich.

    »Das war ein richtig schöner Abend«, bestätigte er

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