Eifel-Liebe
steckte, und ich bekam einen Heidenschreck. Ich dachte, dass Tante Anni möglicherweise einfach wieder verschwunden war – zurück nach Berlin, zurück in irgendeinen Untergang.
Aber sie saß auf der Bank am Teich, hatte sich eine graue Stola umgelegt und wandte den Kopf zu mir hin.
»War etwas los?«
»Ein vierter Mord«, erklärte ich.
»Wen hat es erwischt?«
»Diese Anna Hennef, die Frau von dem Rolli, der gestern hier war.« Ich setzte mich neben sie. »Kannst du nicht schlafen?«
»Wie bitte? Nein, das ist normal. Man sagt, alte Menschen brauchen nicht mehr viel Schlaf. Das kommt oft vor, das stört mich überhaupt nicht. Und dein Garten ist frühmorgens wie das Paradies. Als ich am Wasser stand, kam ein ziemlich großer Brocken angeschwommen. Mich hat gewundert, dass er nicht Pfötchen gegeben hat.«
»Das ist Zarathustra, ein chinesischer Koikarpfen, von hohem Adel, seit sechshundert Generationen geschlechtskrank.«
»Das ist ja entzückend«, lachte Tante Anni. »Soll ich uns einen Kaffee kochen? Ja, das mache ich.« Sie ging davon und es schien mir fast so, als habe sie ihr Tief ein wenig überwunden.
Ich gab meinen Tieren zu futtern und bald darauf hockte ich mit Tante Anni am Gartentisch und wir sprachen über Belangloses, während ich langsam die Müdigkeit in mir spürte. Es war sechs, als ich aufgab und mich ins Bett legte. Sekunden später schon war ich eingeschlafen.
Meine Nacht war zu Ende, als Tante Anni mit der Gewalt einer Dampframme ins Schlafzimmer stürzte, während sie krampfhaft einen Telefonhörer zuhielt. »Da ist dieser junge Mann, der hier war, dieser Rolli. Der Kerl hat noch keine Ahnung, dass seine Frau tot ist.«
»Ach du Scheiße, gib her!« Ich räusperte mich, bewegte den Unterkiefer, fand mich endlich bereit zu ersten krächzenden Äußerungen. Bloß jetzt keinen Fehler machen, Baumeister.
»Hallo, Rolli«, sagte ich munter mit einem Seitenblick auf meinen Wecker. Es war elf Uhr. »Wo steckst du?«
»Ich komme von Koblenz, ich hatte da zu tun. Ich wollte fragen, ob ich heute Abend vorbeikommen kann. Ich habe selbst noch ein paar Fragen.«
»Kannst du, Rolli, sicher kannst du das. Kein Problem. Komm einfach vorbei, ich bin zu Hause. Oder noch besser: Komm doch jetzt gleich. Das würde mir besser passen.« Spring an, Junge, los, kommt her!
»Das ist nicht so gut«, sagte er. »Na ja, vielleicht doch. Hast du was zu essen im Haus?«
»Ja klar, wie Sand am Meer. Was du willst. Komm her, ich warte.«
Damit endete das Gespräch und ich sagte entsetzt zu Tante Anni: »Er will Frühstück und wir haben nichts. Moment, da könnte … nein, halt, stopp, ich muss erst …«
»Du machst jetzt gar nix«, sagte Tante Anni streng. »Ich gehe und pumpe mir von der Maria gegenüber alles, was wir brauchen. Und heute gehen wir endlich einkaufen, junger Mann.«
»Woher kennst du Maria?«
»Du hast mir gestern gesagt, das seien liebe Nachbarn. Daher bin ich hingegangen und habe mich vorgestellt. So einfach ist das.« Sie rauschte leicht beleidigt aus meinem Schlafzimmer, sie hatte einen wirklich guten Abgang.
Ich versuchte Kischkewitz in Wittlich zu erreichen. Es hieß, er sei nicht da. Und Gerald Özcan sei ebenfalls nicht zu sprechen.
»Ich muss aber mit einem von den beiden reden«, sagte ich.
»Ich habe sie nicht in der Hosentasche. Wie soll ich das machen?« Der Mann war eindeutig gekränkt.
»Hier kommt gleich jemand vorbei, der möglicherweise seine Frau umgelegt hat.«
»Rufen Sie doch einfach später noch mal an.«
»Was machen Sie, wenn Sie Durchfall haben? Bitten Sie um Aufschub?«
»Aber ich weiß doch nicht …«
»Für Sie dürfte es ja wohl kein Problem sein, herauszufinden, wo die beiden sind. Sagen Sie, sie sollen Baumeister anrufen. Und zwar vorgestern.«
Ich rannte ins Badezimmer und entschied, dass ich ungewaschen schöner sei.
Ich zog mich hastig an, fiel dabei erst über meinen Hund und versuchte vergebens, ihm in den Hintern zu treten, stolperte dann etwas unglücklich über meine Schuhe, die da standen, wo sie nicht hingehörten, und verstauchte mir mein linkes Handgelenk.
Tante Anni richtete das Wohnzimmer her. »Kaffee«, sagte sie. »Eine Kanne mit frischem Kaffee. Das wird er mögen. Und wenn er gut gelaunt ist, will er sicher einen Kognak. Hast du so was noch irgendwo? Ja, und dann denk dran: Regel Nummer eins lautet: Sprich über alles Mögliche, nur nicht über das, was geschehen und wichtig ist.«
»Ich
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