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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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haben.«
    »Schönheitstänze? «
    »Na ja«, er nahm sich die Leder kappe vom Schädel und kratzte sich das graue kurze Haar. »Ich verstehe ja nichts davon. Schönheitstänze sollen das gewesen sein. Mit wenig an, nur Schleier und so was.«
    »Kennen Sie denn jemanden, der dabei war?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die Leute erzählen so viel. Manche reden sogar davon, das sei so was wie ein ... ein Puff.«
    »Na so was!«, trompetete ich entrüstet. »Und Tina ist die Puffmutter?«
    »Ich muss weiter. Dann fangt den Mörder mal schön. Wäre ja besser, wir hätten noch die Todesstrafe. Nackt auf einer Müllkippe! Und dann noch vergewaltigt, als sie schon tot war. Lausige Zeiten sind das wirklich! Adieu.«
    Er ließ den Trecker wieder an, der eine schwarzgraue Wolke in den Himmel blies. Dann hob der Bauer grüßend die Hand und tuckerte die abschüssige Straße hinunter ins Dorf.
    Ich rollte die Bodendorfer Straße hoch. Als ich die Abzweigung erreichte, an der die Kapelle stand, hielt ich an und stieg aus. Neben dem kleinen Bethaus war eine weiß lackierte Bank, um die herum das Gras sorgfältig gemäht worden war. In dem Bethaus brannten viele kleine Grableuchten. Hinter einem Gitter erkannte ich eine kleine Statuette der Heiligen Jungfrau und links daneben ein einfaches Holzkreuz mit der Inschrift Maria hat geholfen.
    Ich blieb eine Weile auf der Bank sitzen. Ich hatte das Gefühl, mich in Ruhe auf das Gespräch mit Natalies Mutter vorbereiten zu müssen. Ein Elsternpaar jagte kreuz und quer über das graue Band der Straße, am Himmel zog schon wieder eine dunkle Regenfront unter die Schäfchenwolken.
    Was sollte ich sagen? So was wie: »Entschuldigen Sie die Störung, aber können Sie mir ein paar Auskünfte ...«, oder: »Tut mir Leid, aber ich jage den Mörder Ihrer Tochter ...«, oder: »Ich weiß, der Zeitpunkt ist schlecht gewählt, aber die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen ...«
    Als ich geschellt hatte und Natalies Mutter die Tür öffnete, begann ich: »Mein Name ist Siggi Baumeister. Ich will Ihnen mein Beileid aussprechen und Sie etwas fragen.«
    Sie war eine kleine, schmale, magere Frau mit einem schönen Gesicht. Das Gesicht war ohne Zweifel hart, wenngleich der volle Mund die Härte ein wenig abminderte. Die Zeit hatte Zeichen gesetzt, viele Falten, die allerdings gut überschminkt waren. Sie gehörte zu den Frauen, die in jeder Lebenslage äußerst gepflegt wirken. Sie trug ein einfaches, schwarzes Kleid, keinerlei Schmuck, das kurze, grau durchsetzte Haar war leicht toupiert. Ihr Teint war tiefblass und unter den Augen bemerkte ich dunkelblaue Ringe.
    Sie nickte, murmelte: »Ja. Kommen Sie herein.« Und dann: »Sie haben sie gesehen, nicht wahr?«
    »Ja, habe ich. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mit mir sprechen.«
    »Ich bin allein«, erklärte sie knapp. »Ich bin froh, dass jemand kommt. Ich habe sie nicht sehen dürfen, sie haben sie jetzt weggebracht. Nach Trier, glaube ich. Die Polizeiärzte ... Das ist alles so schrecklich, ich fasse es nicht.« Sie öffnete eine mit Butzenglasscheiben gefüllte Tür, die in ein sehr großes, saalartiges Wohnzimmer führte. »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kognak, einen Whisky, vielleicht ein Bier oder einen Saft?«
    Der Bauer hatte mich richtig informiert, ihre Stimme war schrill und es war leicht, sich auszumalen, dass sie gellend sein würde, wenn diese Frau sich aufregte.
    »Einen Saft, bitte. Das wäre nett.«
    »Nehmen Sie doch Platz.« Sie verschwand.
    Für Eifler Verhältnisse war der Raum ungewöhnlich ausgestattet. Zu Luxus haben die Eifler ein sehr gespanntes Verhältnis, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass sie Jahrhunderte in Armut und Not gelebt hatten, und wissen, dass Luxus ein sehr fragwürdiges Geschenk ist, nichts Notwendiges, um zu überleben.
    Der Wohnraum von Tina Colin war luxuriös. Es gab verschwenderisch gestaltete Ledermöbel in teurem rotbraunen, englischen Design, kostbare Vitrinenschränke, echte Teppiche, darunter einen Seiden-Isfahan, wie ich ihn noch nie größer gesehen hatte. Die Gardinen waren aus reich gerafftem Tüll, wahre Wolken. Der Vorhangstoff sah aus wie Brokat, war wahrscheinlich auch Brokat, und hing an schweren handgeschmiedeten Ringen. Der Raum hatte geschätzt satte einhundert Quadratmeter Grundfläche.
    Irritiert dachte ich: Sie bezieht Hilfe von Vater Staat. Was ist das hier?
    Ich setzte mich nicht, sondern ging in eine Ecke, in der viele in Silberrahmen gehaltene Fotografien die

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