Eifel-Müll
einen Teil der Nacht.«
»Ja, das habe ich geglaubt. Aber so war das nicht. Sie war gar nicht bei Sven. Walter Hardbeck hat hier angerufen.« Sie zog ein großes rotes Taschentuch unter einem Kissen hervor und schnauzte sich vornehm die Nase.
»Indiskrete Frage, Frau Colin. Ist es möglich, dass Natalie schwanger war?«
»Sie war nicht schwanger«, intonierte sie gekünstelt. »Oft ist behauptet worden, sie sei einfach zu schön, um treu zu sein. Aber sie war treu. Sie glaubte an die Liebe, an die Kraft der Liebe. Wenn sie schwanger gewesen wäre, hätte ich das gewusst. Sie vertraute mir alles an, wirklich alles. O Gott, ich brauche einen Kognak.« Sie stand auf und ging an ein Regal, das die halbe Wand einnahm. Es stand voller Flaschen und Kristallkaraffen. Sie goss sich etwas in einen übergroßen Kognakschwenker und trank einen Schluck, ehe sie an den Tisch zurückkehrte und sich wieder setzte.
»Sie haben ein wunderschönes Haus, Frau Colin. Erstaunlich, was man alles aus einem alten Gemäuer machen kann.«
»Ich hatte es schwer«, stellte sie fest. »Ich kam mit meiner Familie hierher und stand plötzlich allein da. Der Mann, mit dem ich verheiratet war, taugte nichts. Er trank, er trank zuletzt nur noch ...«
»Der hieß Colin?«
»Richtig, Richard Colin. Ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält, wahrscheinlich ist er wieder dorthin zurückgegangen, woher wir kamen. Bad Breisig am Rhein, ich weiß nicht, ob Sie das kennen. Kleines, spießiges Nest, ich habe immer gedacht, ich ersticke da.«
Noch ehe ich meinen Einwand bedenken konnte, brachte ich ihn vor. »Aber das ist doch unlogisch. Hier in Bongard ist es viel spießiger. Wieso Bongard?«
»Hier ist es nicht spießig«, erklärte die erstaunliche Frau. Sie wirkte nun kühl, die Stirn zeigte strenge, tiefe Falten. »Das Haus liegt außerhalb und es herrscht in der Eifel die Regel, sich nicht in die Sachen des Nachbarn einzumischen. Und hier habe ich keine Nachbarn. Wenn also jemand behauptet, hier wäre alles klein und eng und spießig, dann stimmt das nicht. Ich komme mit den Leuten im Dorf sehr gut aus, kein Problem, überhaupt kein Problem. Im Gegenteil, ich arbeite sogar in der katholischen Landfrauenbewegung mit.« Sie zündete sich die zweite Zigarette an. »Sicher, anfangs gab es Gerede. Mein Mann saß dauernd in der Kneipe, und wenn die geschlossen hatte, saß er hier vor dem Haus auf der Bank. Die Jugendlichen kamen hier vorbei, weil sie wussten: Da können wir was abstauben! Dann verlor er wegen der ewigen Sauferei den Job. Ich habe ihn so gebeten, sich zu ändern, doch endlich einmal was aufzubauen. ›Wenn du es nicht für dich tust, dann tu es für deine Tochter! ‹, habe ich gesagt. Was heißt gesagt, ich habe gefleht!« Sie erzählte mir in diesem Punkt ihre Wahrheit, denn sie wirkte sehr wütend und natürlich. In ihrer Erregung zerbrach sie die Zigarette zwischen den Fingern. Der brennende Teil der Zigarette fiel auf den Isfahan.
Ich bückte mich schnell und griff nach der Glut.
»Du lieber Himmel«, tat ich verblüfft, »was kostet denn dieser Fußabtreter hier?«
Sie lachte ostentativ, daran war nichts gespielt. »Das fragen alle. Ich habe ihn günstig gekriegt. Für achtzigtausend. Das war ein richtiges Schnäppchen.«
Rodenstock, sag mir gefälligst, ob ich jetzt angreifen soll? Oder soll ich weiterhin den Mummelgreis geben und auf das warten, was an Krumen von ihrem Tisch fällt? Rodenstock antwortete natürlich nicht.
»Darf ich noch einmal indiskret werden? Die Leute erzählen, Sie sind eine allein stehende Frau mit wenig Geld. Der Staat würde etwas dazugeben, damit Sie über den Monat kommen. Doch die Einrichtung dieses Raumes hat wahrscheinlich eine halbe Million Mark gekostet. Woher kommt all das Geld?«
Sie antwortete sofort und ohne lange zu überlegen. »Die Teile hier sind alles in allem rund siebenhunderttausend Mark wert. Der kleine Picasso dahinten zwischen den Fenstern ist echt. Rosa Periode.« Sie dehnte sich etwas. »Ja, die Leute reden viel und wissen natürlich nicht, worüber. Sie sind auch neidisch. Ich nenne dieses Haus ein Konferenzhaus und ich habe Jahre gebraucht, um es aufzubauen. Wenn Männer, die hier in der Gegend eine Jagd haben oder gern in die Eifel fahren, miteinander über Geschäfte und Projekte reden wollen, dann tun sie das in diesem Haus. Und sie zahlen dafür und sie zahlen nicht schlecht. Ich biete den Männern mit diesem Haus so etwas wie ein geschäftliches Zuhause an. Das
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