Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
fuhr fort: »Ich danke Ihnen. Ich muss jetzt gehen.« Doch ich hängte, ganz im Stil Columbos, noch eine Frage an: »Sagen Sie mal, wer ist eigentlich der Graf von Monte Christo?«
    Das traf sie. Sie begann mit den Händen zu fuchteln, ihr Mund verzog sich breit, sie senkte schnell den Kopf. »Och, der«, meinte sie lahm und leise. »Das ist so ein Unternehmersohn, nicht wichtig. Er raucht Zigarren, die heißen Monte Christo. Manchmal ist er mit den jungen Leuten zusammen, aber eine Rolle spielt er nicht. Der Vater, nein, der Onkel ist äußerst wohlhabend. Auch so ein Müll-Mensch.
    Der Graf ist einfach ein Lebemann.« Das sprach sie aus wie ein Schimpfwort.
    Irgendwann in den nächsten Stunden würde sie begreifen, was sie mir alles erzählt hatte, und sie würde auch begreifen, dass es zu spät war für eine Korrektur. Dabei hatte sie längst begonnen, ihre Legenden zu formulieren, und sie würde nicht damit aufhören, bis jedes Detail in ihr verändertes Weltbild passte.
    Wir standen vor der Garderobe in dem engen Flur. Hinter ihrem Kopf hingen sechs alte englische Stiche von Reitern und Pferden an der mit beigem Chintz bezogenen Wand – wahrscheinlich waren die Bilder ein Schnäppchen für zweiundsiebzigtausend Mark gewesen. Ich dachte an die Behörden in unserem Staat und daran, ob die wussten, was hier in den Räumen stand und an den Wänden herumhing.
    »Darf ich Sie auch noch etwas fragen?«, murmelte sie. »Ich hab ja keine Ahnung im Umgang mit Presse. Aber ich bin angerufen worden. Da kommt gleich ein Mann von einer Illustrierten. Aus Hamburg. Die bieten mir was für meine und Natalies Lebensgeschichte. Können Sie mir da behilflich sein, was soll ich fordern?«
    »Nein, da kann ich Ihnen nicht helfen.« Ich war erschrocken. »Ich kann Sie nur warnen.« Dann begriff ich plötzlich ihre Lage. »Sie brauchen Geld, nicht wahr?«
    »Na ja, der Betrieb hier wird erst mal aufhören.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich habe ein bisschen was zurückgelegt, aber da würde ich nicht gern drangehen. Wieso soll ich das nicht machen?«
    »Weil Redaktionen niemals das schreiben, was Sie selbst schreiben würden. Sie müssen das allein entscheiden, ob Sie Ihre Geschichte verkaufen. Das kann Ihnen niemand abnehmen. Aber seien Sie wachsam wie ein Luchs.«
    »Bin ich«, versprach sie inbrünstig.
    Sie öffnete die Haustür und rief erstickt: »Oh!« In der nächsten Sekunde richtete sie ihr Haar.
    Draußen standen, sorgfältig nebeneinander aufgebaut, drei Fernsehteams – vom SWR, RTL und VOX, drei Truppen, die so gekleidet waren, als seien sie hergekommen, um zu grillen. Aber vielleicht wollten sie das später ja wirklich. Der Einfachheit halber streckten sie ihre Mikrofone vor wie Spezialausweise und begannen gleichzeitig zu brüllen.
    »Frau Colin, wie fühlen Sie sich?«
    »Frau Colin, war es Ihr zukünftiger Schwiegersohn?«
    »Frau Colin, dieses Drama um Ihre Tochter wirft die Frage nach der Todesstrafe auf.«
    Ich flüsterte ihr zu: »Big brother is watching you. Sagen Sie zwei Dinge: Dass Sie keine Auskunft geben können und dass Sie in Ihrer Trauer allein gelassen werden wollen.«
    Ich setzte mich in meinen Wagen und fuhr vom Hof.
    Von Nohn her hatte sich die Wolkenwand inzwischen geschlossen, es würde gleich regnen, donnern und blitzen. Das passte mir gut, mir war selbst so. Ich fuhr nach Bodenbach und von dort nach Borler, Spielzeugdörfer von großer Schönheit in einer fast unverdorbenen Landschaft, in der ich alle hundert Meter aussteigen möchte, um einfach nur herumzuschauen.
    Regen, Donner und Blitz erwischten mich hinter Borler, ehe ich auf die Verbindungsstraße Nohn-Kelberg kam. Ich hielt an und grinste einem Bauern zu, der auf einem Uralt-Lanz ohne Verdeck in scheinbar mieser Stimmung durch die Fluten ratterte.
    Als er mein Grinsen sah, wollte er wütend werden, besann sich aber, stoppte ebenfalls, kletterte von seinem Gefährt, kam zu meinem Auto und setzte sich quatschnass auf den Nebensitz. Er blinzelte mich von der Seite an und meinte: »Das ist aber nett von dir.«
    »Ich habe heute meinen sozialen Tag«, erwiderte ich.
    »Du warst sicher bei Tina«, fuhr er nahtlos fort. »Ich kenn dich doch, du schreibst doch immer solche Sachen. Das ist eine furchtbare Sache! Glaubst du, sie fangen das Schwein?«
    »Bestimmt. Tina ist noch immer wie besoffen. Sie hat noch gar nicht kapiert, was passiert ist. Jetzt sind die Fernsehfritzen da. Kannst du mir was erzählen?«
    Er überlegte und

Weitere Kostenlose Bücher