Eifel-Müll
Eifersucht leiden. Niemand teilt ihm Konkretes mit, niemand sagt: ›Deine Freundin schläft mit den anwesenden älteren Herren, deine Liebste ist eine Nutte!‹ Aber seine Fantasie wird ihm das sagen und ihn pausenlos quälen. Und er wird phasenweise immer wieder hassen. Du hast dann klassisch das, was sämtliche Rundfunksender zurzeit von diesem Paar behaupten: Du hast die klassische Tragödie. Darauf willst du doch hinaus, oder?«
»Das weiß ich noch nicht so genau. Ich will nur verstehen, was alles passiert sein kann. Auch der letzte Riesendeal im Bereich der Müllentsorgung scheint in der Tragödie eine Rolle zu spielen. Wenn an diesem Riesendeal etwas faul ist, dann hat es die tote junge Frau vermutlich gewusst.«
»Du hast ein Problem am Hals«, stellte Matthias trocken fest. »Eigentlich nicht ein Problem, sondern ein ganzes Bündel. Entschuldige, mein nächster Patient wartet.«
Ich startete und rollte langsam heimwärts.
Nehmen wir einmal an, nicht Sven hatte Natalie getötet. Nehmen wir an, es war jemand, der unbedingt wollte, dass sie schweigt. Weil sie etwas wusste, was diesen Jemand in Gefahr bringen kann. Was konnte sie erfahren haben? – Wie hatte Tina Colin das formuliert: ›Sie schieben die Millionen hin und her wie ich die Bierfilze. ‹ War es vielleicht einfach um Geld, um Bargeld gegangen? Nehmen wir an, jemand aus der höchst ehrbaren Runde sagte: ›Da fehlen uns aber noch rund drei Millionen. ‹ Nehmen wir einmal an, ein anderer antwortete: ›Das ist ein Klacks, die muss ich nur holen. ‹ Und ein Dritter schlug vor: ›Dann hol sieh Der zweite sagte: ›Kein Problem, aber die Kohlen sind rabenschwarze Und der Dritte stellte fest: ›Das interessiert doch niemanden, hol es!‹
So konnte es gewesen sein, wegen des Wissens um so eine Sache konnte Natalie getötet worden sein. Aber warum war dann ihre Mutter nicht getötet worden, die doch von den gleichen Dingen wusste? Stimmte das? Wusste Mutter Colin immer genau das, was auch die Tochter wusste? Nein, Natalie konnte durchaus etwas in Abwesenheit der Mutter erfahren haben, was sie dann auch nicht weitergab. Passte denn dazu die merkwürdige Art der Aufbahrung auf der wilden Müllkippe? Ja, durchaus. Es passte sogar hervorragend. Man stelle sich vor, ein älterer, seriöser Mann, der Natalie eigentlich von Herzen mochte, ist gezwungen, sie ein wenig zu töten ...
Zwischen Bongard und Brück gab ich Vollgas. Ich ärgerte mich, weil diese ganzen Konstruktionen, diese ach so großartigen Kombinationen ausschließlich auf Annahmen beruhten. Annahmen, Annahmen, Annahmen! Bis jetzt war nichts wirklich sicher, nichts geprüft. Außer einer Tatsache: Die beiden jungen Menschen waren tot, der eine war ermordet worden, der andere vielleicht einem Unfall zum Opfer gefallen, vielleicht in selbstmörderischer Absicht ... Nicht einmal die zweite Todesursache war sicher.
DRITTES KAPITEL
Emma und Rodenstock saßen am Gartentisch und wirkten gelassen. Rodenstock telefonierte.
Emma winkte mir zu. »Wenn der Mann pünktlich ist, kommt er in zwanzig Minuten. Er scheint im Moment ein gefragter Mann zu sein, er hat schon zwei Fernsehsendern Auskunft gegeben. – Du siehst irgendwie zerquält aus.«
»So viele Annahmen, so viele Theorien. Dann stimmt dieses nicht, dann stimmt jenes nicht. Zum Schluss weißt du gar nichts mehr. Du versinkst in einem Sumpf von Gerüchten. Ich weiß, das ist jedes Mal so, aber jedes Mal ärgert mich das. Wie geht es dir?«
»Ich bin schmerzfrei.«
»Das ist gut. Was ist mit Vera?«
»Sie durchlebt eine klassische Krise. Diese blödsinnige Sache mit dem Muttermörder war nur das Vehikel, um die Krise sichtbar zu machen. Ich kenne das von mir, ich habe das auch erlebt. Du fragst dich, was du eigentlich auf dieser verdammten Welt sollst. Du hast Neuigkeiten, sagte Rodenstock.« Sie flüsterte: »Rodenstock spricht mit Kischkewitz.«
Emmas Gefährte sagte gerade süffisant: »Es ist zu begreifen, irgendwann einmal musste das so laufen. Nichts für ungut, mein Lieber, wenn wir schneller sind als du.«
Dann beendete er das Gespräch, musterte uns mit zusammengekniffenen Lippen und erklärte: »Kischkewitz hat vom Oberstaatsanwalt den großen Maulkorb verpasst bekommen. Keine Meldung darf nach außen, nichts. Und vor allem soll er uns dreien nicht ein Wort sagen. Keine Zusammenarbeit, kein Hinweis in keiner Sache. Es hat Beschwerden gegeben, dass wir in anderen Fällen zu eng einbezogen wurden. Das geht nicht mehr, sagt der
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