Eifel-Müll
gleich und bringe eine Menge Neuigkeiten. Ist Vera besser drauf?«
»Sie ist gar nicht mehr hier, sie ist abgehauen, um irgendjemandem das Auto wiederzubringen. Ich habe ihr gesagt, sie soll wiederkommen. In Mainz kann sie keinen Abstand gewinnen.«
»Das ist gut, bis gleich.«
Es dauerte noch zwei Minuten, ehe Matthias sich meldete. Er sagte mit leichter Heiterkeit: »Ich nehme an, es geht um diese beiden jugendlichen Toten. Man wird ja förmlich zugedröhnt von dieser Nachricht.«
»Richtig. Und ich habe eine Frage, von der ich nicht weiß, ob sie nicht dämlich ist. Die Mutter der toten Neunzehnjährigen hat für sich eine Art Marktnische erfunden. Sie stellt ihr Haus für Konferenzen zur Verfügung. Für Konferenzen von Männern, die viel Geld haben, neue Projekte ersinnen, neue Firmen gründen und so weiter und so fort. Und sie hat diese neunzehnjährige Tochter in dieses Geschäft integriert. Sie selbst und diese Tochter bedienen die Gäste. Die Frau sagt, das sei ihr Leben. Sie sagt auch, dass sie vor allem für diese Tochter lebt und alles sei vollkommen ehrenhaft. Aber sie hat einen Seiden-Isfahan im Wohnzimmer liegen, der schlappe achtzigtausend Mark gekostet hat, und die Ehrenhaftigkeit ist damit für mich höchst zweifelhaft. Ich will der Mutter gar nicht unterstellen, dass sie lügt. Doch es scheint, dass sie ihre Tochter ... Na ja, ich weiß nicht, wie man das formuliert. Sie hat für diese Tochter gelebt. Immer ...«
Matthias unterbrach mich und meinte trocken: »Das nennt man ›narzisstische Abtretung‹. Weißt du, woher diese Mutter kommt, wie sie aufgewachsen ist?«
»Nein. Aber sie betonte, sie sei aus einem ›prima Stalh. Und sie bezeichnete ihre Tochter als ›Brut‹. Deshalb bin ich misstrauisch geworden.«
»Richtig so.« Er lachte. »Du wirst wahrscheinlich herausfinden, dass das mit dem Stall nicht so weit her ist. ›Narzisstische Abtretung‹ bedeutet, dass ich jemanden stellvertretend für mich leben lasse. Wenn er es gut macht, bin ich glücklich. Bei Vätern und Söhnen gibt es das häufig. Das klassische Beispiel ist ein zwanghafter Oberregierungsrat, der sich nicht traut, Sexualität zu genießen. Er hat einen Sohn, dem er mit aller Gewalt aufs Pferd hilft. Der Sohn wird meinetwegen ein hochrangiger Militär, wird vielleicht sogar General. Dieser Sohn darf dann alles tun, was Vater sich nie zu tun traute. Darf sogar wilde Weibergeschichten haben, Sex genießen, sich richtig ausleben. Wenn der Sohn das richtig macht, ist Papi glücklich. Bei Müttern und Töchtern funktioniert das genauso. Alles, was sie sich niemals traute und niemals trauen wird, soll die Tochter aufs Heftigste tun und genießen. Könnte das so gelaufen sein?«
»Ich denke, ja. Und weiß die Tochter, dass sie stellvertretend lebt?«
»Wenn sie jung ist, weiß sie es nicht. Wenn sie älter wird und über das eigene Leben zu reflektieren beginnt, ist es möglich, dass sie etwas ahnt. Wenn sie jemanden hat, mit dem sie sich besprechen kann, einen Außenstehenden, wird sie es wissen. Ein kritischer Punkt übrigens.«
»Stell dir eine Runde höchst ehrenwerter Geschäftsleute mit viel Geld vor. Sie tagen im Haus der Mutter. Alles ist vom Feinsten, von der Einrichtung bis hin zu den angebotenen Speisen und Getränken. Alles ist abgeschirmt. Jeder der Beteiligten weiß: Hier guckt niemand durch die Fenster, hier bin ich sicher. Mutter und Tochter bedienen. Die Tochter ist hübsch und überdies wahrscheinlich sogar klug. Falsch, ich muss sagen, die Tochter ist eine bildschöne Frau mit starker erotischer Ausstrahlung. Wenn nun jemand der anwesenden seriösen Herren Lust auf dieses junge Fleisch bekommt, wie werden die Frauen darauf reagieren?«
»Die Mutter würde das möglicherweise sogar fördern. Bei der Tochter ist das nicht sicher. Dazu müsste ich mehr über sie wissen. Die Mutter wird in aller Unschuld sagen: ›Das gehört dazu.‹ Außerdem spielt dabei Dankbarkeit eine Rolle. Ich will damit sagen, dass die Mutter ständig betont: ›Das alles, mein Kind, hast du mir zu verdanken. Ich lebe für dich, ich arrangiere dein Leben. Wir leben gut, wir leben luxuriös, das alles basiert auf meinen Lebenskünsten. ‹ Dahinter steht ein bedrückender Satz, der lautet: Sei mir gefälligst dankbar!«
»Welche Rolle spielt in dieser Konstellation ein junger Mann, der die Tochter liebt?«
»Die Rolle eines armen Schweines. Ist er sensibel, wird er unentwegt durch die Hölle gehen. Er wird maßlos unter seiner
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