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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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»Ich meine zu Fuß?«
    »Ein paar Minuten, es sind nur ein paar hundert Meter. Die Straße verläuft in ziemlich vielen Windungen ins Dorf, sicher, man kann den Weg abkürzen. Drei Minuten, vielleicht vier.«
    »Die Stimme wird nicht der Mann sein, der die Fässer abgeladen hat. Der Mann, der das tat, muss verdammt kühl und vor allem schweigsam sein. Das aber passt nicht zu der Stimme. Denn die Stimme will ja auch angeben mit dem, was sie weiß, nicht wahr?« Emmas Gesicht war ruhig.
    »Zweifellos«, antwortete ich. »Dann waren vielleicht vier Parteien an der Senke. Erst die Personen, die die Möbel dort hinwarfen. Dann der mit den Fässern, dann der Mörder mit Natalies Leiche. Und dann der Mann, der mich anruft. Sie alle sind im Verlauf einer Nacht dort gewesen und gründen eine wilde Müllkippe. Nee, Kinder, das erscheint mir vollkommen unglaublich. Diese Vorstellung stimmt nicht.«
    »Was hat dir denn die Mutter von Natalie erzählt?«, wollte Emma wissen.
    Ehe ich antworten konnte, rollte ein alter Mercedes-Diesel auf den Hof.
    »Der Oberstudienrat«, murmelte Rodenstock. »Seid höflich und nehmt ihn aus.«
    Detlev Fiedler war etwa fünfzig Jahre alt, mittelgroß, ein wenig korpulent, recht lässig mit beigefarbenen Jeans und einem Lacoste-Hemd bekleidet. Seine Haarfarbe spielte ins Grau, sein Kopf war beinahe monströs kugelig und mit einem schmalen Schnauzbart geschmückt. Er lächelte, er war ein ständiger Lächler.
    Mit modulierender Stimme sagte er: »Ich hoffe, ich bin pünktlich. Zurzeit ist wegen der Geschichte viel los. Ich muss für meine Schüler da sein, sie sind stark verunsichert, haben Angst.« Er sah auf seine Uhr. »Ich habe eine halbe Stunde, nicht mehr. Tut mir Leid.«
    »Wovor haben die Schüler denn Angst?«, fragte Emma.
    »Ihre irrealen Fantasien machen ihnen Angst. Zum Beispiel vor einem Mörder, der erneut zuschlagen kann. Oder – besonders die Mädchen – vor einem Unbekannten, der ihnen an die Wäsche will. Sie sind alle fassungslos. Natürlich sind auch die Eltern vollkommen hysterisch und schüren die Ängste direkt und indirekt. Ein Vater hat den Vorschlag gemacht, die Kinder zu Hause zu lassen und nachts zu patrouillieren.« Fiedler machte »Ts, ts, ts« und schüttelte sanft den Kopf. »Eine Mutter verkündete, sie würde ihre Tochter nicht mehr zur Schule gehen lassen.«
    »So irreal sind die Fantasien doch gar nicht«, mahnte Emma sanft. »Natürlich kann der Täter erneut zuschlagen. Solange wir nicht wissen, wer er ist, so lange können wir keine Fantasie als irreal bezeichnen.«
    Fiedler lächelte und antwortete nicht.
    »Sie haben doch diese Liebesgeschichte von Sven und Natalie als ihr Lehrer erlebt«, ermunterte ihn Emma. »Was können Sie uns darüber erzählen?«
    »Ich weiß gar nicht, ob es eine wirkliche Liebesgeschichte war. Vor allem diese Form der Sexualität ... Na ja, die Leutchen schlafen miteinander und stellen gleichzeitig fest, das ist keine Liebe. Also, ich bin skeptisch, ob es wirklich eine Liebesgeschichte war.«
    »Warum das?«, fragte Rodenstock verblüfft. Dann hielt er inne und sagte: »Ich brauche Kaffee, eine Zigarre, einen Kognak und Bitterschokolade. Auch wenn Sie nur eine halbe Stunde Zeit haben. Sie auch, Sie auch einen Kaffee?«
    »Gerne«, sagte Fiedler. »Das kommt mir gelegen, ich bin schon müde von der vielen Rederei. Und ständig habe ich das Gefühl, den beiden nicht gerecht zu werden.«
    Ich ging in die Küche, beeilte mich, ich wollte seine Geschichte hören. Ich stellte die Kaffeemaschine an und sammelte Rodenstocks Zubehör ein – bis auf die Zigarre. Für Emma öffnete ich eine Flasche Sekt. Ich stellte mir vor, das würde ihr gut tun.
    Als ich wenige Minuten später in den Garten zurückkehrte, unterhielten sich die drei entspannt. Fiedler sagte gerade: »Ich bin der Ansicht, dass die Menschen um mich herum, und ich meine nicht nur meine Schüler, sondern alle, nicht fähig sind, das Geschehen zu analysieren, genau hinzuschauen. Das Ganze ist grausame Brutalität. Das reicht ihnen. Und diese grausame Brutalität kann sich ihrer Meinung nach jeden Moment in ihrer unmittelbaren Nähe wiederholen. Sie beachten nicht, dass es Nacht war, dass das Verbrechen viele Kilometer entfernt stattfand, dass es mit dem Gymnasium nicht das Geringste zu tun hat, dass junge Menschen betroffen sind, die die Schule längst verlassen haben, die in ihr Leben einsteigen wollten. Sogar meine kluge Frau sagte, sie werde unsere Kinder nicht mehr

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