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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Jeans, deren Ursprungsfarbe unklar war, und nichts an den Füßen. Das Gesicht war schmal, hager, lang gezogen mit großen Augen, die nirgendwo Halt zu bekommen schienen. Das Gesicht eines Fanatikers, dachte ich. Er war vielleicht fünfundvierzig Jahre alt, vielleicht ein paar Jahre älter.
    Ich trat hinter ihm in den Raum und hatte sofort das Gefühl, eine andere als diese Welt zu betreten. Es stank. Es stank penetrant nach Schweiß und Urin, nach zu lange getragener Wäsche, nach Geschirr, das niemals gespült worden war.
    Der Raum hatte kein Fenster, war etwa vier mal fünf Meter groß und durchgehend mit Tigerfellmuster ausgestattet. Die Wände waren mit Tigerfelltapete bekleistert, der Fernseher steckte in einer Hülle aus Plastiktigerfell. Das Sofa lag unter einer Tigerfelldecke und der Stuhl, auf den ich mich setzen sollte, hatte einen Tigerfellbezug. Auf dem niedrigen Couchtisch lag ein Tigerfellimitat. Der Fußboden war aus alten Eichendielen und wenigstens die zierte kein Tigermuster. Zwei Deckenfluter spendeten Licht, unangenehm weißes, durch nichts gedämpftes Licht.
    »Ist Tigerfell die Lieblingsmarke?«, fragte ich, um etwas zu sagen.
    Er musterte mich und nickte dann. »Der Tiger ist mein Wappentier. Sprungbereit, voller Kraft und niemals berechenbar.«
    Ich dachte, er wollte mich verulken, aber dann sah ich seine Augen, sie waren weit offen und starr. Langsam begann ich zu ahnen, dass dieser Besuch Risiken in sich barg.
    »Ich habe ein Problem«, sagte ich und ließ mich vorsichtig auf das mir zugewiesene Stück Tigerfell nieder.
    Er legte sich lang auf das Tigerfellsofa. »Probleme kann man lösen.«
    »Richtig«, nickte ich. »Gottfried, Ihr Vater, hat gesagt, er hat vorgestern gegen Abend seine alten Wohnzimmermöbel da oben zum Waldrand gefahren und abgeladen. Nach seinen Angaben zwischen 21 und 22 Uhr. Kann das stimmen?«
    »Das stimmt«, nickte er.
    »Wann sind Sie denn dann da oben am Waldrand gewesen? Das muss doch frühmorgens gewesen sein, denn wenig später haben Sie die Polizei angerufen. Und ein paar Stunden später mich.«
    »Oh, oh«, warnte er. »Wer behauptet denn da was ohne jeden Beweis?«
    »Ihre Stimme ist eindeutig wiederzuerkennen. Ich habe sie auf Band. Soll ich sie Ihnen vorspielen?«
    Er wartete mit seiner Antwort, bis er sich meiner vollen Aufmerksamkeit sicher war. »Der Buddhismus gibt mir die Kraft, solche Anschuldigungen nicht bis in meine Seele dringen zu lassen.«
    »Ein Buddhist«, staunte ich. »Sieh mal einer an, da wird sich der Gott der Eifler aber freuen.«
    »Der Gott der Eifel hat versagt, total versagt.«
    »Also mir wäre es lieber, Sie würden mir erzählen, wann Sie am Waldrand waren, wann Sie die Leiche entdeckten.
    Mir reicht der ungefähre Zeitpunkt. War es schon hell oder war es noch dunkel? Und noch etwas, guter Mann, was wollten Sie da oben eigentlich? Ihrem Vater nachschnüffeln?« Er brachte mich entschieden auf die Palme.
    »Auf ein derart niedriges Niveau begebe ich mich nicht. Niemals!« Er blickte mich nicht an, er sprach mit der Zimmerdecke.
    »Aber das Niveau, erst die Polizei und dann mich anonym anzurufen, das haben Sie. Und es ist auch Ihr Niveau, haltlose Gerüchte zu erfinden. Wie zum Beispiel das, dass der Vater von Sven ein Verhältnis mit der Freundin seines Sohnes hatte.«
    »Diese Natalie wird in der Dschehenna braten! Sie war eine Sünderin, eine bestialische Frau.«
    »Dschehenna? Also haben Sie auch Durchs wilde Kurdistan gelesen. Jedenfalls war Karl May ein besserer Lügner als Sie. Wissen Sie was? Ich halte Sie für einen miesen Spanner.«
    Er musste das geübt haben, viele Male: Er stemmte sich zwischen Rücken- und Sitzlehne in den Winkel des Sofas, legte die linke Hand auf den Tisch und vollführte dann einen perfekten Seitsprung über den Tisch. Er flog auf mich zu, kam wie ein großer Stein heran.
    Schmerzhaft spürte ich den Aufprall und konnte nicht mal mehr die Arme hochreißen. Ich landete parterre, hörte, wie der Tigerfellstuhl unter mir zusammenbrach, irgendetwas ratschte an meinem rechten Bein entlang und ich bekam keine Luft mehr.
    Martin war hinter mir und rief geradezu begeistert: »Wow!« Dann war er erneut sichtbar, und zwar über mir. Er trat zu und traf meinen linken Oberschenkel. Als er zum zweiten Mal zutrat, bekam ich seinen Fuß zu fassen, hielt ihn fest und drehte ihn, so weit ich konnte, nach innen. Er schrie und fiel.
    Endlich war ich wieder oben und wollte etwas sagen, wahrscheinlich: Lassen wir doch

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