Eifel-Müll
ist auch so unglaublich: Dass man meinem Sven zutraut, Natalie erschossen zu haben. Sven würde niemals schießen, er hasst Feuerwaffen. Was glauben Sie, warum er Zivildienst machen wollte?«
»Was ist, wenn Ihr Sohn einfach ausgeflippt ist?«, fragte Emma rasch.
»Das hätte ich als Vater todsicher vorher gemerkt!«
»Das muss nicht sein«, murmelte Rodenstock. »Es ist zum Beispiel möglich, dass Natalie ihm etwas Brutales oder Entsetzliches erzählt hat. Und dass er anschließend ausflippte. Innerhalb von Sekunden.«
»Ja ja, so etwas gibt es, aber Sven und Natalie haben sich doch an dem Tag ... an dem Tag ihres Todes überhaupt nicht gesehen. Das gilt garantiert bis zum späten Abend. Ich habe den Tag rekonstruiert und ich bin es leid, das dauernd wiederzukäuen. Ich sage es Ihnen trotzdem: Sven stand morgens ziemlich früh auf. Gegen sieben Uhr. Wir frühstückten zusammen, meine Frau, er und ich. Dann fuhr er nach Mayen, anschließend nach Daun. Er besorgte dort etwas für meine Frau. Anschließend fuhr er für mich nach Trier. Ein Jagdfreund von mir wird in den nächsten Tagen siebzig. Dem habe ich eine Springfield gekauft, das ist ein Gewehr. Am Kolben musste noch etwas geändert werden. Sven rief mich aus Trier an und sagte, er müsse warten, er ginge so lange ins Kino. Dann holte er das Gewehr ab und kam nach Hause. Er war gegen 19 Uhr wieder bei uns. Wir aßen zu Abend, gingen in den Keller und ich schoss die Waffe ein. Darüber wurde es neun Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Sven Natalie an diesem Tag nicht gesehen, dafür garantiere ich. Er sagte dann, er führe möglicherweise noch zu Tina nach Daun. Das ist eine andere Tina, sie ist die Wirtin einer beliebten Kneipe. Ob er tatsächlich dorthin gefahren ist, weiß ich allerdings nicht. Meine Frau und ich wurden erst wach, als die beiden Polizeibeamten schellten und uns mitteilten, was passiert ist. Verdammt noch mal, wenn man sich Natis Tagesablauf anguckt, muss doch deutlich werden, dass die beiden sich an diesem Tag nicht getroffen haben können!«
»Das ist merkwürdig«, gab ich zu. »Tina Colin hat keine Ahnung, was Natalie an dem Tag getrieben hat. Sie hat das Haus um elf Uhr morgens verlassen. Tina Colin sagt, Sven und Natalie wollten Schuhe kaufen. Bis zu ihrem Auffinden in Mannebach ist Natalies Verbleib einfach rätselhaft. Aber vielleicht hat die Mordkommission ja inzwischen was herausgefunden. Eine andere Frage, Herr Hardbeck. Wissen Sie, wie die Müllkippe in Mannebach ausgesehen hat? Nein? Außer der Toten lagen da noch alte Möbel und zwölf Fässer herum.«
»Die Kripo hat das erwähnt. Die haben überhaupt ein Riesenbuhei um den ganzen Müll gemacht. Ich verstehe das nicht. An der Stelle war vor rund zwölf Jahren eine widerliche Müllkippe, das ganze Dorf schmiss da von Bauschutt bis zum alten Fernseher alles hin. Es stank dort wie auf einem öffentlichen Lokus. Dann kamen neue Verordnungen von der Kreisverwaltung. Ich selbst habe den LKW spendiert, der den ganzen Scheiß nach Walsdorf zur Deponie gefahren hat. Das war ein Schandfleck in meiner Jagd, ich war froh, als das aufhörte. Das Wohnzimmer hat bestimmt der alte Warzenbeter Gottfried da hingeschmissen. Das vermute ich deshalb, weil er neulich gedroht hat, er werde die Müllkippe wieder einrichten. Er habe kein Geld, um das Zeug mit dem Trecker nach Walsdorf zu schaffen und auch noch dafür zu bezahlen, dass sie es ihm abnehmen.«
»Warzenbeter?«, fragte Emma erheitert.
»Warzenbeter!« Hardbeck lächelte kurz. »Er betet Leute gesund und Warzen weg. Verrückte Eifel! Es gibt eine Menge Leute, die behaupten, dass es funktioniert. Er ist ein verrückter alter Mann. Und sein Sohn ist noch eine Stufe verrückter.«
Ich hob die Hand und meldete mich wie ein Volksschüler. »Ist dieser Sohn mit einer Stimme gesegnet, die hoch und heiser ist?«
»Richtig«, nickte er. »Der Sohn heißt Martin. Er ist Lehrer, hat also studiert, aber nie als Lehrer gearbeitet. Er behauptet von sich, er sei Kommunist. Er lebt auf dem kleinen Hof des Vaters, bekommt absolut nichts auf die Reihe und verkündet, erst werde der Sozialismus wiederkommen und anschließend der echte Kommunismus wie zu Zeiten des Herrn Jesus. Ein durchgeknallter Typ. Hat der etwa auch damit zu tun?«
»Wahrscheinlich nicht«, meinte Rodenstock. Er räusperte sich wieder, was bedeutete, er würde mit allem Nachdruck auf ein ekliges Thema zurückgreifen. »Noch mal zum Clubhaus, Herr Hardbeck. Sie halten es ja wohl
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