Eifel-Müll
netten Einfamilienhaus am Stadtrand von Wittlich zu Hause und signalisierte allen seinen Nachbarn unmissverständlich und unklar, dass er Beamter war. Wofür und wogegen, pflegte er nicht zu erwähnen. Die Nachbarn waren trotzdem zufrieden, weil sein Häuschen so schmuck und so sauber unter der Eifelsonne lag, weil sein Auto immer gewaschen und poliert in der Garage funkelte, weil seine Kinder so nett mit denen aus der Nachbarschaft spielten und weil seine Frau eine stille Vorliebe für die Farbe Blau hegte. Blaue Vorhänge, blaue Strohblumen mit blauen Schleifen, blaues Schild an der Haustür: Hier wohnen Edith, Karl-Wilhelm, Susi, Kevin und der Hund Strolch.
Erst einmal nahm ich eine Tablette, die Detlev mir sicherheitshalber dagelassen hatte. Das Bein tat weh und ich hatte den Eindruck, der Schmerz pulsiere im gleichen Rhythmus wie mein Blut. Dann schritt ich zur Tat.
»Hier ist Baumeister«, erklärte ich. »Ich brauche Ihre Hilfe in einer Geschichte, die ich recherchiere. Ich versichere Ihnen, dass Sie das Manuskript zu lesen bekommen, wenn ich die Geschichte irgendwann einmal geschrieben habe. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Der Mann wartete ein paar Sekunden. »Solange es nicht um Namen geht und nicht um harte Fakten und Zahlen, bin ich einverstanden. Wie geht es Ihnen?«
»Gut, ich kann nicht klagen. Mein Haus ist voll mit Freunden und manchmal muss ich Schlange stehen, wenn ich meinen Lokus frequentieren will.«
Er lachte. »Warum haben Sie nicht gesagt, dass es um Natalie Colin und Sven Hardbeck geht? Schließlich lese ich Zeitung und kann zwei und zwei zusammenzählen.« Dann atmete er tief ein. »Das ist ja ein Ding!«
»So kann man es formulieren«, bestätigte ich. »Mich interessiert eine Männerrunde, eine bemerkenswerte Männerrrunde.«
»Zeitweilig zu Hause im alten Forsthaus im schönen Bongard. Richtig?«
»Richtig. Wir verstehen uns ja prächtig.«
»Na ja, Vorsicht. Noch habe ich nichts gesagt. Sie wollen Auskünfte, Sie sollten das Spiel eröffnen.«
Wenn er der Meinung war, es handelte sich um ein Spiel, sollte es mir recht sein. »Ich gehe davon aus, dass die Männer alle Geld mit Müll machen. Mit der Verbrennung von Müll, mit dem Deponieren von Müll, mit dem Transport von Müll. Ist das richtig?«
»Natürlich, aber das weiß schließlich jeder.«
»Ist Müll eigentlich ein gutes Geschäft?«
»Sagen wir mal so: Wenn Sie ein guter Kaufmann und Rechner sind, können Sie sich kaum mit Müll beschäftigen, ohne wohlhabend zu werden.«
»Ich vermute, dass es sich um einen ruhigen Markt handelt, auf dem alle Felder verteilt sind. Eine große Öffentlichkeit hat dieser Markt ja nicht.«
»Müll«, sagte er, als müsse er mich beruhigen, »ist ein Nicht-Thema. Müll ist ein Unthema. Das hat was mit seinem Charakter zu tun. Müll liegt immer auf der Negativseite der Gesellschaft, Müll ist dreckig. Trotzdem ist der Markt selbst niemals ruhig. Im Gegenteil: Es handelt sich um einen der unruhigsten Märkte der Gegenwart – bezogen übrigens auf ganz Europa. Eine Firma, die wir von der Finanzfahndung heute unter die Lupe nehmen, existiert morgen nicht mehr, weil sie von einem anderen Müllunternehmer geschluckt wurde. In den deutschen Markt drängen gegenwärtig Franzosen, Luxemburger, Engländer. Deutsche engagieren sich im europäischen Ausland, lösen die eigene Firma auf und sitzen ab morgen in Portugal oder auf Mallorca und haben ihre Verwaltung in Liechtenstein. Müll ist ein absolut sicheres Geschäft, ganz ähnlich wie das Geschäft mit alten Menschen in Heimen und Altersruhesitzen. Es ist traurig, aber wahr, der Vergleich ist zulässig.« Er schnaufte. »Entschuldigung, dass ich auf ethisch-moralisches Gebiet gleite.«
Ich grinste. »Ich nehme an, dass Sie mich mit philosophischen Aspekten eindecken, weil Sie ahnen, worauf ich hinauswill.«
Ungerührt gab er zu: »So ist es. Also los, Frage eins.«
»Ermittelt Ihre Behörde gegen diese in Bongard tagende Männerrunde? «
»Nicht gegen die Runde!«, erwiderte er.
»Gegen einzelne Teilnehmer der Runde?«
»Kein Kommentar. Nächste Frage.«
»Haben sich Finanzfahnder je mit Konten beschäftigt, die folgenden zwei Frauen zuzuordnen sind: Tina Colin, Natalie Colin, beide aus Bongard, Letztere tot?«
»Kann ich nicht beantworten, Datenschutz, Persönlichkeitsschutz und laufendes Verfahren.«
»Danke. Und mitten hinein in den Dschungel: Ich setze mal voraus, dass Ihr Amt Ermittlungen anstellt. Und Sie sind schon
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