Eifel-Müll
Todesfalles hier sein. Ich gehe jede Wette ein, dass die anderen auch alle zu Hause sind.«
»Ich habe eben auch noch mal mit einem Fahnder der Kommission gesprochen«, Rodenstock räusperte sich. »Er sagte, seiner Kenntnis nach sei ein LKW-Fahrer verhaftet worden, ein Pole. Den Namen wusste mein Mann nicht, aber diesen Namen brauchen wir ...«
»Da kann ich behilflich sein«, sagte ich. »Das wird Ladi sein. Er ist von Tina Colin als Besucher der Männerrunde deklariert worden. Er soll ein lustiges Haus sein, saufen wie ein Loch und hervorragend Witze erzählen können. Erinnert euch, dass wir gesagt haben: Wer immer die Fässer an den Waldrand in Mannebach transportierte – er muss gewusst haben, dass sein LKW nicht versacken konnte, dass der Weg am Waldrand das hohe Tonnengewicht aushält. Und Vater Hardbeck hat erklärt, dass alle, die in der Jagdhütte zu Besuch gewesen sind, diesen Weg kennen. Wenn dieser Mann Gast war, kannte er selbstverständlich auch Natalie. Der Mann hat sowohl mit Herbert Giessen als auch mit Hans Becker zu tun. Das hat Tina gesagt. Der vollständige Name ist Ladislaw Bronski. Und jetzt will ich etwas über Müll erfahren.«
»Bin noch nicht so weit«, knurrte Rodenstock.
»Aber ich habe noch etwas«, meinte Emma leise. »Ich war noch nicht am Ende meines Berichtes. Ich habe nämlich den ›Besorgte-Mutter-Trick‹ angewandt. Natürlich tauchen diese Leute ab, wenn sie in Gefahr sind. Aber selbstverständlich würden sie niemals abreisen und ihre Häuser verlassen. Du rufst also aufgeregt an und sagst, du möchtest den Chef des Hauses sprechen, du sammelst nämlich Geld für Waisenkinder. Dann antworten sie dir, dass das nicht geht, dass der Chef nicht da ist. Du rufst zum zweiten Mal an und sagst mit leicht veränderter Tonlage langsam und schüchtern: ›Ich vermute, meine Tochter hat unverschämterweise bei Ihnen angerufen, wissen Sie, die will nur Geld, o Gott, ist mir das peinlich, tut mir so was von Leid, dagegen kann ich nix machen, die ist so schrecklich aufdringlich. Geld für wildfremde Kinder, man stelle sich das vor! ...‹ In der Regel sagt die Sekretärin daraufhin beruhigend: ›Ihre Tochter habe ich abgewimmelt, das konnte ich dem Chef nicht zumuten! ‹ Und dann wird sie redselig. Also, Herbert Giessen ist zu Hause, Hans Becker auch, Andre Kleimann ist bei Hans Becker, und Dr. Lothar Grimm aus Koblenz auf dem Weg zum Giessen nach Bad Münstereifel.«
»Heiliger Strohsack!«, murmelte Vera bewundernd.
FÜNFTES KAPITEL
Wir bereiteten uns ein spätes Mittagessen, kochten Spaghetti, die wir lustlos in uns hineinschaufelten. Wir waren es müde zu reden, jeder betonte lapidar, er sei nicht ausgeschlafen, das komme wahrscheinlich vom Wetter. Den Rest des Tages versuchten wir irgendwie totzuschlagen.
Tatsächlich waren wir wohl wegen des nur mühsamen Vorankommens melancholisch. Und da war noch etwas, was uns alle lähmte: Für Emma und Rodenstock würde der kommende Tag ungeheuer wichtig werden. Ein Arzt würde erklären: Es ist Krebs! Es ist kein Krebs!
Zweifel beschäftigten mich. Ich hatte eine wichtige Frage noch nicht gestellt: War das Forsthaus von Tina Colin eigentlich auch ein Hotel gewesen, eine Übernachtungsmöglichkeit? Ich hätte den prügelnden Martin sanfter behandeln müssen, nicht so beleidigend. Ich hätte ihn fragen können: Was hast du gesehen, als du bei Hardbecks Jagdhütte den Spanner gemacht hast? Aber war die Antwort darauf eigentlich wichtig? Natalie Colin war ein Produkt ihrer geldgierigen Mutter gewesen, hatte Hardbeck gesagt. Wie weit war sie selbst schon geldgierig gewesen? Wieso diese geradezu groteske Regel, dass der Freund und Geliebte Sven in Natalies Zuhause nicht verkehren durfte? Stimmte das überhaupt? Hatte Natalie mit den Männern im Forsthaus geschlafen? Hatte das zum Service gehört?
Auf der Spitze des langen Kirchenschiffs sang die Amsel ihr Lied zur Nacht. Ein Buchfink setzte sich auf die Fensterbank und putzte sich. Dann gab es ein Rauschen mit abschließendem Geplätscher. Das Wildentenpaar war eingeflogen. Wahrscheinlich würden sie eine Weile schlafen, den Kopf in das Gefieder stecken und anschließend zu ihren Jungen zurückkehren. Wie lange kümmern sich eigentlich Wildenten um den Nachwuchs?
Vor der Tür sprach Rodenstock mit Cisco. »Hör zu, du kannst nicht bei uns auf dem Bett liegen. Verstehst du?«
Cisco verstand kein Wort, japste nur leise und begeistert, weil er wahrscheinlich glaubte, er dürfte Emmas
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