Eifel-Müll
Herrlichkeit dauerte nicht allzu lange. Als das Tageslicht anbrach und als etwa um kurz vor fünf Uhr feststellbar war, dass der Tag verregnet sein würde, kam Vera samt Cisco in mein Reich und nörgelte: »Könntest du nicht wenigstens Bescheid sagen, wenn du ins Bett gehst?«
Sie plumpste links neben mir auf die Matratze, während der Hund von rechts kam und meinen Lebensraum auf schlanke dreißig Zentimeter begrenzte, wobei er in heller Freude eifrig bemüht war, seine nasse Zunge durch mein Gesicht zu ziehen. Ich beneidete meine Katzen, die jetzt wahrscheinlich ein warmes Plätzchen für sich ganz allein irgendwo im Keller oder im Geräteschuppen gefunden hatten.
Selbstverständlich wurden wir erst gegen Mittag wach und Vera entdeckte auf dem Küchentisch einen Zettel, auf den Emma geschrieben hatte: Wir versuchen, mit der Ehefrau von Dr. Lothar Grimm in Koblenz Kontakt aufzunehmen. Amüsiert euch schön!
»Amüsieren wir uns jetzt oder arbeiten wir?«, fragte sie.
»Schmeiß Cisco raus«, sagte ich. »Eine alte Französin hat mal einen Roman mit dem Titel Liebe – Brot der Armen geschrieben. Die Frau hatte ja so was von Recht!«
Wir amüsierten uns tatsächlich, denn zunächst knickte der Mittelholm meines Bettes ein und dann, beim Versuch der Reparatur, brachen gleichzeitig beide Krampen aus, die das Fußteil hielten. Das Ausräumen der auf diese Weise unnützen hölzernen Bestandteile des Bettes dauerte eine Weile und zurück blieb eine fantastische Lustwiese, an der nichts mehr zusammenbrechen konnte und die mich an meine Studienzeit erinnerte, was mich außerordentlich rührte.
»Du bist ein richtiger Bodenturner«, lobte Vera.
Gegen 15 Uhr regnete es immer noch in der Art, die von den Eiflern auffrischende Feuchtigkeit von Westen‹ genannt wird. Wir zogen uns trotzdem an, ich rasierte mich trotzdem, wir ließen trotzdem unsere Gehirne warmlaufen.
»Was würdest du jetzt klären wollen?«, fragte ich Vera nach der dritten Tasse Kaffee.
»Ich möchte mich mal mit einer der Ehefrauen der Polizisten unterhalten. Ich möchte wissen, ob die beiden tatsächlich was mit Natalies Tod zu tun haben können.« Sie lächelte versunken.
»Das ist gut, es ist auch nicht so weit nach Lind.«
»Die wohnen in Lind?«
»Einer von ihnen wohnt in Lind. Der 43-jährige Egon Förster. Polizeihauptmeister. Das war der mit dem Schnäuzer«, erinnerte ich mich und sah sein Gesicht vor mir, wie er verwirrt und fassungslos auf die tote Natalie starrte. »Einverstanden. Lass uns fahren. Er war richtiggehend wütend auf Natalie, weil sie so ein unsolides Leben geführt hat.«
»Vielleicht ist er jemand, der sich verantwortlich fühlt, wenn seine Mitbürger Mist bauen.«
»Das kann sein.«
»Darf ich fahren?«
»Selbstverständlich. Ab sofort lasse ich nur noch fahren.«
Wir waren noch nicht einmal an der Einfahrt des kleinen Industriegebietes vorbei, als mein Handy sich meldete.
Es war Kischkewitz, der schnell und hastig berichtete: »Der Pole Bronski ist abgetaucht. Der Schatten hat ihn verloren. Er soll Besuch bekommen haben von seinem Bruder und etwa drei oder vier anderen Polen. Wir vermuten, dass Bronski in die Eifel fährt.«
»Warum sollte er das tun?«
Kischkewitz lachte. »Wahrscheinlich glaubt er, er bekommt von den reichen Koppen, für die er arbeitet, alles Mögliche in die Schuhe geschoben. So ganz Unrecht hat er ja nicht. Zum Beispiel wird die Sache mit den Giftfässern an ihm kleben bleiben. Der Bruder übrigens ist ein paar Jahre älter und hat ein Vorstrafenregister von der Länge der Einkaufsliste, die mir meine Frau am Wochenende mitgibt. Der Mann scheint ziemlich brutal zu sein. Schwere Körperverletzung in insgesamt sechs Fällen. Aber kurioserweise niemals verurteilt.«
»Danke dir, dass du angerufen hast. Hat die Sache mit den Geldsäcken was ergeben?«
»Ja. Natalie hat das Foto an Dr. Grimm in Koblenz verkauft. Für fünfzigtausend Mark. Er behauptet, er habe sie nicht getötet, aber was sollte er auch anderes tun. Das Biest war wirklich auf Zack. Mach's gut.«
»Mach's besser.« Ich erklärte Vera: »Bronski ist auf dem Kriegsspfad, mit einer ganzen Meute Landsleute.«
»Wildwest«, sagte sie knapp. »Der Pole wird gewohnt sein, für sich selbst zu sorgen. Diese Sorte wartet nicht, bis die Polizei was regelt.«
Lind ist klein, winzig klein. Die Straße führt ein paar hundert Meter geradeaus, macht eine Rechtskurve den Hang hoch – dann ist Lind schon wieder vorbei. Eine Frau, die
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