Eifel-Müll
Försters Frau wurde richtig eifrig.
»Es war bei einem Dorffest?«
»Ja, ein ganz normales Fest. Ich weiß noch, dass Egon sagte: ›Ich tanze jetzt mit der schönsten Frau im Saal!‹ Wir haben alle gelacht, denn wir wussten ja, wie diese Natalie wirkt. Sie war ja wirklich eine schöne Frau. Dann haben die beiden geschwooft – wie die Kinder. Ja, und der vom Fotostudio Nieder hat Bilder gemacht. Ich habe übrigens selbst so ein Bild beim Nieder bestellt.«
»Ich habe Egon neben Natalies Leiche erlebt«, sagte ich bedächtig. »Er war wütend auf sie. Er warf ihr vor, sie habe sich mit allen möglichen Männern eingelassen.«
Sie nickte ernst. »So ist er. So etwas regt ihn wirklich auf. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass er Polizist ist. Er sagt: ›Man kann seinen Spaß haben, aber man muss wissen, wo die Grenze ist.‹ Ja, so ist er. Und die Natalie hat ja tatsächlich ziemlich heftig gelebt.«
»Das kann man sagen«, nickte Vera. »Hast du denn einen Verdacht?«
»Was mit Egon ist? Wo er ist und so? Nein. Wenn der Chef sagt, alles ist okay, dann wird alles okay sein. Das Ganze mit diesen Fotos, das ist doch idiotisch. In der Provinz ist es eben so, dass jeder jeden kennt, dass jeder irgendetwas vom anderen weiß, dass jeder irgendwie mit jedem zusammenhängt. Bloß weil Egon Polizist ist, ist er doch nichts Besonderes, oder?«
Einen Moment herrschte Schweigen.
»Na ja, etwas Besonderes ist das schon«, sagte ich dann. »Die Gesellschaft geht nicht gut mit Bullen um. Das steht fest. Und Bullen haben nun mal keinen guten Ruf. Das hat was damit zu tun, dass sie mit Verbrechertum aufräumen sollen, während genau das immer weiter wächst. Das muss doch etwas gewesen sein, das auch Egon immer belastet hat, oder?«
»Ja, das ist wohl so«, nickte sie. »An dieser Stelle war Egon irgendwie, ja, traurig. Du mühst dich ab, du redest mit Jugendlichen, du sagst, die Gesellschaft braucht feste Spielregeln, und fünf Minuten später hauen die Jugendlichen sich die Köpfe ein, als habe es nie Regeln gegeben oder als hätten sie nie eine gekannt. Das ist schwer, das ist verdammt schwer. Gewalt wächst, die Leute werden immer brutaler. Und dann kommt noch das Verrückte hinzu, dass die Leute zu Egon sagen: ›Wieso, um Gottes willen, bist du eigentlich Bulle? Du kannst ja doch nichts dagegen tun.‹ Das klingt irgendwie nach Verachtung. Ja, Egon hat darunter gelitten. Immer schon.«
»Und dann die Scheißbezahlung«, murmelte ich.
»Genau!«, rief die Frau etwas schrill. »Genau! Die meisten haben doch keine Ahnung, was die beim Streifendienst so tun müssen. Nimm doch mal diese verrückte Nacht. Da fährt sich erst Sven Hardbeck tot. Egon und Klaus müssen zu den Eltern. Das ist Stress, das ist haushoher Stress. Und dann verkündet der Chef: ›Wir haben da noch eine Leiche! ‹ Die beiden stehen stundenlang, bis die Mordkommission kommt, neben einer Leiche. Und sie haben diese Leiche gekannt, gut gekannt. Das muss man erst mal verkraften. Ich sage, kein Mensch steckt das so einfach weg. Wir hatten das Problem hier im Haus, ich hatte es. Egon kam heim, er redete nicht, konnte gar nicht mehr reden. Er nahm eine Flasche Schnaps und legte sich ins Bett. Mich macht das ganz krank. Er hat die gleichen Träume wie wir alle, muss aber immer die Scheiße aufräumen, die diese Gesellschaft hinterlässt. Wenn die Träume zerbrechen, soll er da sein. Das ist es doch, genau das.« Sie war wütend.
»Wir wollen dich nicht länger stören«, meinte Vera. »Wenn Egon wieder da ist, sag ihm, er macht seine Sache gut.«
Als wir durch Kelberg fuhren, meldete sich Rodenstock aus Koblenz. »Gerade hat sich herausgestellt, dass die beiden verschwundenen Polizisten Förster und Benesch bei Walter Hardbeck den Garten angelegt haben. Keine Schwarzarbeit, 630-Mark-Regelung.«
»Das hilft nicht weiter«, meinte ich. »Polizisten sind auch nur Menschen und sie verdienen zu wenig. Was hat denn Grimms Ehefrau gesagt?«
»Bisher noch nichts. Sie wird erst in einer Stunde wieder zu Hause sein. Wir melden uns.«
»Willst du eigentlich auch noch zu Benschs Frau?«, fragte Vera.
»Nein«, erwiderte ich. »Kein Bedarf. Aber ich würde gern mal mit dem Chef der Wache in Daun sprechen, um die Geschichte abhaken zu können.«
»Gut, dann fahren wir jetzt dahin«, entschied Vera.
»Das können wir auch morgen noch machen. Ich möchte jetzt ins Stellwerk nach Monreal, mit dir was essen.«
»So etwas Edles?«
»So etwas Edles!
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