Eifel-Müll
mit einem Kinderwagen spazieren ging, gab uns Auskunft: »Die Försters wohnen da den Weg rein, rechter Hand, letztes Haus.«
Vor der Haustür lag Spielgerät herum, ein grüner großer Plastiktrecker, ein paar Sandförmchen, Schippen, ein alter Ball.
Vera schellte und hatte den Klingelknopf kaum losgelassen, als eine junge Frau öffnete, die ein Kopftuch trug und so aussah, als wolle sie das ganze Haus putzen.
»Ja, bitte?« Sie hatte kräftige Hände und ein leicht gebräuntes, sehr hübsches Gesicht. »Wenn Sie meinen Mann suchen, muss ich Sie enttäuschen. Der ist nicht da.«
»Das wissen wir«, sagte ich. »Ich kenne Ihren Mann, habe ihn an der Stelle getroffen, an der Natalie Colin gefunden wurde. Das hier ist Vera, eine Kollegin von ihm. Wir wollten Sie bitten, mit uns zu reden.«
Ihr Gesicht wurde augenblicklich schmaler und härter. »Worüber denn?«
»Darüber, dass Zeitungen und Illustrierte Fotos von Ihrem Mann und Natalie veröffentlicht haben und behaupten, er und sein Kollege seien tief in die Geschichte verwickelt«, sagte Vera leichthin.
»Und Sie«, sagte die Frau und sah mich an, »sind wahrscheinlich ein Journalist, den das persönlich interessiert, was?« Sie war böse.
»Ich bin Journalist, aber ich habe noch kein Wort über den Fall geschrieben. Wir beide verfolgen Spuren, um sie aufgeben zu können. Und Ihr Mann ist wahrscheinlich so eine Spur. Wo ist er denn?«
»Das weiß ich nicht«, entgegnete sie knapp.
Vera murmelte: »Das glaube ich Ihnen sogar. Geht es ihm denn wenigstens gut?«
»Das weiß ich natürlich auch nicht«, sagte sie. »Na ja«, lenkte sie dann ein, »kommen Sie rein. Entschuldigung, hier sieht es furchtbar aus. Eigentlich hätten die Kinder aufräumen sollen, aber wie das so ist.« Sie ging vor uns her durch einen schmalen kleinen Flur in ein helles Wohnzimmer mit Blick auf einen Garten voller Blumen. »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee vielleicht? Ein Wasser?«
»Ein Wasser«, sagten wir.
Sie verschwand für eine Weile und kam mit einem Tablett wieder.
»Dass ich nicht weiß, wo mein Mann ist, das stimmt«, murmelte sie, als wolle sie ein für alle Mal klarstellen, dass an dieser Feststellung nicht zu rütteln war.
»Ist er denn nun auf einem Sonderlehrgang oder im Sonderurlaub?«, fragte Vera.
»Wo tun Sie denn Dienst?«, fragte sie zurück.
»Landeskriminalamt in Mainz«, sagte Vera.
»Tja gut, dann will ich mal erzählen, wie das ablief. Na klar, beide Männer, also mein Egon und Klaus Benesch waren natürlich geschockt. Solche Verbrechen passieren hier doch alle zwanzig Jahre nicht. Aber dass sie deswegen in einen Sonderurlaub geschickt wurden, das war nun wirklich nicht notwendig. Tatsächlich hat mein Egon gesagt, er müsse dringend und ohne Verzug zu einem Lehrgang. Komisch war nur, dass er sagte, er könne mir keine Auskunft geben, was das für ein Lehrgang sei und wo der stattfinde.« Sie kicherte wie ein junges Mädchen. »Ich war immer der Meinung, Männer sind verrückt, aber dieser geheime Lehrgang schießt einwandfrei den Vogel ab. Egon kam ungefähr um drei Uhr nachmittags heim. Als ich um vier Uhr ebenfalls nach Hause kam – ich arbeite in einem Tante-Emma-Laden –, hatte er die Koffer schon gepackt, sah alle paar Sekunden auf die Uhr und war zwei Minuten später samt Auto weg.«
»Darf ich Sie duzen?«, fragte Vera und wartete keine Antwort ab. »Hast du seinen Vorgesetzten angerufen?«
»Sofort natürlich«, sagte sie hell. »Doch der sagte nur, er dürfe mir keine Auskunft geben, aber er könne mir versichern, dass alles seine Ordnung habe. Und ich solle mit niemandem drüber reden. Und dann erschienen die Zeitungen und Illustrierten und ich dachte, mich trifft der Schlag.«
»Warst du dabei, als Egon mit Natalie tanzte?«
»Klar.«
»Erzähl doch mal, wie kam es dazu?«
»Gern. Also Egon ist vereinsmäßig unheimlich stark eingebunden. Sportverein, Freiwillige Feuerwehr, Heimatverein und so weiter. Ständig ist irgendetwas los und er hat auch viele Ehrenämter. Er ackert. Wenn er nicht ackern kann, ist er unglücklich. Einmal im Jahr spielt er sogar die Hauptrolle in einem Schwank, den der Theaterverein auf die Bretter bringt. Und ich finde das richtig, ich mach das genauso. Wenn unsere Dörfer nicht sterben sollen, müssen wir was unternehmen. Unsere Jugend geht in die Städte, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber wenn sie ausgelernt haben, sollen sie zu uns zurückkommen. Wenn wir nichts machen, sterben die Dörfer.«
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