Eifel-Müll
»Fahrt mit Blaulicht und kein Pardon. Ich will den Kerl in zwei Stunden in Wittlich haben. Wie, ist mir scheißegal.«
Ich flüchtete zu Emma zurück ins Wohnzimmer. Ihr Anblick schockte mich, sie rauchte eine von Rodenstocks unförmigen kanonenrohrähnlichen Brasilzigarren.
»Meine Zigarillos sind aus und diese Dinger sind einwandfrei furchtbar. Aber sie qualmen.«
Auf dem Flur ließ Cisco ein furchtbares Jaulen hören und Kischkewitz schimpfte erbost: »Köter, nun geh mir endlich aus den Füßen!« Dann betrat er das Wohnzimmer. »Tut mir Leid, dass ich dein Haus mit Beschlag belege, aber leider warst du zu erfolgreich.«
»Mich würde noch etwas interessieren«, meinte Emma. »Als ihr die vier Männer der Runde aus dem Forsthaus das erste Mal verhört habt, haben die doch Alibis vorweisen können, oder? Wie sah das Alibi von dem Rechtsanwalt aus Koblenz aus?«
»Wenn ich mich recht erinnere, war er daheim bei seiner Familie. Das ist ein schmieriger Mann, sage ich euch. Er ist keiner, der Natalie tötet. Aber er ist durchaus jemand, der einem anderen den Auftrag erteilt zu töten. Das wird noch eine schwierige Kiste.«
»Kann der Pole Bronski einen solchen Auftrag erfüllt haben?«, fragte ich.
»Nein«, antwortete Kischkewitz entschieden. »Ich kann das gar nicht beweisen, aber der Pole ist ein Typ, der mit so einem wie Lothar Grimm nicht kann. Auf keinen Fall.«
»Wo ist eigentlich Tina Colin nun untergekommen?«, fragte Emma.
»Im Hotel Panorama in Daun. Sie darf Daun nicht verlassen. Aha, da sind die Motorradrabauken.«
Sie knatterten auf meinen Hof, zogen die Helme von den Köpfen und kamen sehr verlegen in mein Haus.
Einer von ihnen sagte fast flüsternd: »Wir sind bestellt.«
Emma und ich räumten das Wohnzimmer und Kischkewitz begann ein erstes Gespräch mit ihnen.
»Wir rücken Vera auf den Pelz«, entschied Emma.
Vera lag diagonal auf ihrem Bett auf dem Bauch und schnarchte sanft. Sie wirkte sehr entspannt.
»Ich würde gern eine Partie Billard gegen dich gewinnen«, schlug Emma vor.
»Aber dann wecken wir Vera. Außerdem: Seit wann kannst du Billard spielen?«
»Seit ich als kleines Mädchen zwei Sommer in Belgien in einem alten Plüschcafe verbringen durfte. Ich war der Schrecken aller Eingeborenen. Das Risiko, Vera zu wecken, müssen wir eingehen.« Sie trat an die Platte und baute mit affenartiger Geschwindigkeit den Rahmen mit den Kugeln auf. »Wenn du willst, darfst du anfangen«, sagte sie und suchte sich ein passendes Queue aus.
Ich begann, drosch den ersten Stoß auf die Vollen und registrierte nur halb, dass Vera entsetzt in die Höhe schoss. Ich hatte kein Glück, ich versenkte nichts.
»Tut mir Leid, Liebes«, murmelte Emma, »aber ich muss irgendetwas tun, mir die Lebenslust aus dem Muskeln zu blasen. Es ist mitten in der Nacht, ich weiß, aber keiner in diesem Haus nimmt Rücksicht auf die Tageszeit.«
»Hä?«, machte Vera, setzte sich aufrecht hin und rieb sich die Augen. »O Gott, mein Kopf. Ich hab doch gar nichts mehr getrunken!«
Emma kündigte an: »Ich gehe auf die gelbe Eins, dann nach links auf die Neun, nehme die Gebänderte rechts davon mit, lasse sie aber liegen und gehe auf die Sechs. Klar? Kanadische Holzfäller-Regel.«
»Klar«, sagte ich im Angesicht meines Untergangs.
Sie nahm die weiße Kugel hoch und stieß einen Hungerball, der so sanft über Grün rollte, dass er wie ein alter Mann wirkte, der die letzten Schritte seines Lebens tut. Es geschah wie angekündigt, sie versenkte drei mit dem ersten Stoß, rannte dann behände auf eine andere Position, sagte an, stieß zu, entschuldigte sich zwischendurch für ihre Kunstfertigkeit und räumte im dritten Stoß den Rest ab. Dann stand sie nachdenklich vor der Platte und sagte: »Die Acht wird Schwierigkeiten machen, aber ich denke, es geht über zwei Banden.«
Ich erwiderte: »Aha!«, und wartete auf meine endgültige Vernichtung.
»Was macht ihr da eigentlich?«, nörgelte Vera.
»Wir spielen Murmel«, sagte Emma. »Noch eins?«
»Danke, nein«, winkte ich ab. »Ich bring die Billard-Platte zum Trödel.«
Eine halbe Stunde später verließ Kischkewitz mitsamt den vier Jungmannen das Haus und so etwas wie eine vorläufige Ruhe kehrte ein. Rodenstock und Emma verzogen sich in ihr Zimmer, Vera war erneut in leichtes Schnarchen versunken und ich konnte mein Bett erreichen, ohne irgendwelchen Fremden zu begegnen und ihnen erklären zu müssen: »Wissen Sie, eigentlich ist das hier mein Haus.«
Die
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