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Eifel-Müll

Eifel-Müll

Titel: Eifel-Müll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Natalie hätte sechzehn sein können und es wäre keine Unzucht mit einer Minderjährigen gewesen. Die Kleine ist eine auf Profit gedrillte Nutte gewesen und keine noch so vornehme Umschreibung darf darüber hinwegtäuschen.«
    Erst jetzt fiel mir auf, dass wir auch hier auf einem Seiden-Isfahan saßen, garantiert eigens für diesen Raum gewirkt. Rottöne herrschten vor, eine unglaubliche Fülle an Ornamenten.
    »Lassen Sie ein Tonband mitlaufen?«, fragte Becker plötzlich.
    »Nein«, sagte ich matt. »So etwas Linkes machen wir nicht. Haben Sie mehr als einmal mit ihr geschlafen?«
    »Wenn ich sage, ja, ist das gelogen, wenn ich sage, nein, ist das auch gelogen. Sehen Sie, es ist so, dass wir eine Gruppe von fünf Jagdfreunden sind. Wir fanden dieses Haus in Bongard. Dort konnten wir uns ausruhen, miteinander reden, miteinander auch Geschäfte besprechen und tätigen. Ich lebe sehr viel nachts, Sie haben die Telefone gesehen. Ich bin einer, der mit Geld Geld macht. Internationale Finanzplätze und so. Eigentlich brauche ich dieses Haus nicht mehr zu verlassen, eine Pleite ist nahezu unmöglich geworden. Dieses Leben erschöpft, in Bongard konnte ich mich erholen. Ich kann zugeben, dass ich ein weiteres Mal mit Natalie schlafen wollte. Ich erinnere mich deshalb so gut, weil ich vor lauter Erschöpfung impotent war. Wir haben darüber gelacht.«
    Diese Auskunft war das mit Abstand Raffinierteste, was ich in den letzten Jahren gehört hatte. Er stritt nichts ab, täuschte nichts vor, er ging weit in die Selbstanklage hinein und wurde gerade dadurch nahezu unangreifbar. Welcher Mann erliegt denn nicht gelegentlich einer Versuchung? Und, seht her, Leute, ich bin wirklich nichts anderes als ein normaler Mann.
    »Warum dieses Leben in diesem einsamen Haus?«
    »Das hat etwas mit dem Kloster nebenan zu tun und mit der faszinierenden Geschichte dieses Ortes. Und das hat mit meiner Jugend zu tun. Haben Sie etwas Zeit?«
    Als wir beide nickten, fuhr er fort: »Ich stamme aus einer alten Handwerkerfamilie in Bad Breisig, genauer gesagt Oberbreisig. Mein Vater war ein Schuhmacher, er fertigte orthopädische Schuhe an. Wir waren acht Kinder und wir hatten, soweit unsere wirtschaftlichen Mittel das zuließen, eine sehr erfüllte und glückliche Jugend. Ich diente in der Messe in Bad Breisig, in der alten katholischen Dorfkirche gleich an der B 9. Später dann war ich hier im Kloster Messdiener. Ich radelte mit dem Fahrrad her, eine heute kaum glaubliche Vorstellung, zig Kilometer jede Woche bei jedem Wetter. Ich glaube, ich war ein nachdenkliches Kind.«
    Er wurde unterbrochen, die Hausdame kam herein mit einem großen Tablett und stellte es auf den Bronzetisch zwischen uns. Sie goss Wasser ein, Wein, Kaffee und verschwand wieder wie ein Schatten, als habe sie es nicht einmal nötig zu atmen.
    Becker nippte an seinem Weinglas. »Ich spielte jahrelang mit der Idee, katholische Theologie zu studieren und in den Benediktinerorden einzutreten. Klösterliches Leben faszinierte mich, fasziniert mich noch immer. Aber es kam anders. Ich machte Abitur und anschließend eine Banklehre. Ich begriff sehr früh die Bedeutung der elektronischen Medien und sehr früh kaufte ich mir die ersten Computer. Ich verstand schnell, dass man sich nicht vom Schreibtisch fortbewegen muss, um zu Geld zu kommen. Kennen Sie die Benediktregel aus dem Kapitel 57?«
    »Nein«, antwortete ich.
    »Nun, die lautet: ›Bei der Festlegung der Preise darf sich das Übel der Habgier nicht einschleichen. Man verkaufe sogar immer etwas billiger, als es sonst außerhalb des Klosters möglich ist, damit in allem Gott verherrlicht werde.‹« Er lächelte zurückhaltend. »Daran habe ich mich mein Leben lang gemessen.«
    »Das klingt sehr arrogant«, stellte Vera fest.
    »Das mag Ihnen so erscheinen, aber arrogant ist das nicht. Arroganz wird immer bestraft. Es gibt eine andere Benediktregel, ebenfalls im Kapitel 57, eine wichtige Bemerkung über Handwerker im Kloster: ›Sind Handwerker im Kloster, können sie in aller Demut ihre Tätigkeit ausüben, wenn der Abt es erlaubt. Wird aber einer von ihnen überheblich, weil er sich auf sein berufliches Können etwas einbildet und meint, er bringe dem Kloster etwas ein, werde ihm seine Arbeit genommene« Becker setzte hinzu: »Und ich bin nichts anderes als ein Handwerker.«
    »Moment«, widersprach ich, »Sie tun so, als seien Sie ein Mönch unter Mönchen. Ihr Spitzname, wenn ich mich recht erinnere, ist sogar der

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