Eifel-Ralley
genug in der Zeitung.«
Rodenstock nickte. »Wie alt ist er? Wie groß? Wie viele Waffen? War er jemals in psychiatrischer Behandlung? Hat er akute Krankheiten? Ist er zugänglich? Hat er sowas wie Krankheitseinsicht? Du weißt schon, Kollege, ich muß das wissen.«
Der Polizist sagte: »Mein Name ist Gottfried, wir können dabei bleiben. – Diese Sache am Ring hat ihn geschmissen. Nicht das, was man die Zyankali-Killer nennt, sondern das, was mit dieser Frau, mit Irmchen, passiert ist.« Er war ein sehr ruhiger, besonnener Mann, er war sicherlich ein Polizist, wie man ihn sich wünscht, wenn ein Problem brennt, aber er war in diesem Fall überfordert, weil dieser Bauer sein Freund war und weil er zu diesem Freund stand. »Also, ich würde sagen, wir haben es mit einem psychoseähnlichen Zustand zu tun. Krankheitseinsicht und so ist nicht. Krank, also richtig krank, war Manni noch nie. Er ist ein Bulle von Kerl mit einer Seele wie Honig, und ich glaube nicht, daß er das überlebt. Er will nicht mehr, versteht ihr, der will einfach nicht mehr. Der war noch nie bei einem Psychiater. Eigentlich kennt er mich ja. Aber wenn ich nur um die Ecke gucke, ballert er schon. Scheiße!«
»Gibt es irgendwen, der guten Einfluß hat?«
»Nein.«
»Der Pfarrer?« fragte ich.
»Oh Gott, der schon gar nicht.«
»Was ist, wenn ein Fremder vorfährt?«
»Keine Ahnung. Aber ich denke, dann wittert er eine Falle und schießt auch.«
»Wie lange ist er schon so?« fragte Rodenstock.
»Ein, zwei Tage. Wir wissen erst seit heute nacht davon. Seine Leute haben anfangs geglaubt, er sei wirklich krank, deshalb haben sie nichts gesagt.«
»Gut«, nickte Rodenstock. »Du bist aber unserer Meinung, daß wir der Sache so schnell wie möglich ein Ende machen müssen?«
Gottfried nickte nur, sagte zunächst kein Wort. Dann: »Wenn er nur vielleicht irgendwie am Leben bleiben könnte?«
»Wir bemühen uns, ich verspreche es. Hat Kwiatkowski dir gesagt, wann er kommen kann?«
»Bestenfalls in drei Stunden.«
»Das ist nicht schlecht«, murmelte Rodenstock. »Wir müssen sowieso auf die Dunkelheit warten, bis wir stürmen können. Kann man die Leute aus dem Dorf fernhalten?«
»Von hier vorne ja, von hinten nicht. Die kommen durch den Wald, du kannst sie nicht stoppen.«
»Kannst du dafür sorgen, daß fünf, sechs Männer von hinten die Gebäude absichern?«
»Sofort?«
Rodenstock nickte.
Nachdem sich Gottfried mit den anderen drei Feuerwehrmännern besprochen hatte, kehrte er zurück. »Das mit dem Sturm bei Dunkelheit kannst du vergessen«, verkündete er resigniert. »Manni hat doch Zielfernrohre. Nachtsichtgeräte, Grünlicht. Der hat sogar eine Waffe mit einem Restlichtverstärker drauf. Und zwei mit Infrarotzielanpeilung. Das können wir alles vergessen. Habt ihr Waffen?«
»Nicht mal einen Knüppel«, antwortete ich.
»Das könnte ich regeln«, sagte er. »Wir stellen nun die Wachen an die Rückseite.« Er ging wieder, und ein paar Sekunden später fuhr er mit seinen Freunden davon.
»Guter Mann«, sagte Rodenstock. »Ich will versuchen, Manni lebend zu kriegen. Muß ja nicht um jeden Preis sein, aber um fast jeden Preis.«
»Du gehst nicht allein«, sagte ich.
Er sah mich an. »Ich bin alt genug, selbst zu entscheiden«, stellte er fest.
»Und ich bin alt genug, dich zu begleiten.«
»Aber du hast Dinah!« sagte er wütend.
»Und was ist mit Emma? Nein, sag es nicht. Du gehst nicht allein.«
»Scheißkerl«, erwiderte er, aber es klang nicht so, als sei er wirklich wütend.
Wir hockten uns ins Gras. Rechts neben meinem Bein blühte ein Dorniger Hauhechel, und eine Biene versuchte ihr Glück in seinen Blüten.
»Es ist so friedlich hier«, murmelte Rodenstock.
Eine späte Hummel flog eine Teufelskralle an, über uns war ein Bussard und schrie hoch und gellend, als könne er sich einer besonders großen Beute rühmen.
»Ich wurde in einem Dorf an der Mosel groß«, erzählte Rodenstock. »Ich erinnere mich an solche Tage, an denen es nach Heu roch. Wir bauten Wein an, nicht viel. Wir mußten viel arbeiten. Ich erinnere mich an die Sonntage, die nur still und voller Sonne waren. Wie jetzt.«
»Wie wird man dann ein Mörderjäger?«
Er antwortete eine lange Weile nicht. »Eigentlich kann ich darauf keine Antwort geben. Vielleicht, oder wahrscheinlich, wollte ich nicht in den Krieg und wildfremde Menschen erschießen. Und ich war neugierig, wie andere Menschen sind, was sie denken, was sie tun und warum sie es
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