Eifel-Ralley
frühmorgens seine Ruhe haben. Das kann ich auch gut verstehen. Außerdem will er auch mal in Ruhe einen draufmachen. Jedenfalls wollte er auch Irmchen heiraten – hat sie aber nicht gekriegt. So ist das Leben. Jetzt wäre er Witwer.«
»Sag doch nicht sowas Grausames«, quengelte Trixi.
»Ist doch so! Machen wir uns doch nichts vor.«
Rodenstock sah die beiden liebevoll an. »Ihr seid schon ein gutes Team«, nickte er. »Vielen Dank für alles. Wenn ihr mal in Brück bei Baumeister vorbeikommt, schaut rein. Es gibt immer einen Kaffee. Wir müssen jetzt, wir haben noch anderes zu tun.«
Ich reichte beiden die Hand, und Trixi nahm ich ein bißchen in den Arm. »Haltet euch senkrecht«, sagte ich etwas gerührt. »Und wenn der Peter, der etwas Verrückte, wieder hier ist, wäre das ganz schön, wenn ihr dem mal ein Eis spendiert oder was aus Alice im Wunderland vorlesen könntet.«
Trixi lachte: »Alice nackt!«
»So isses«, nickte ich und marschierte raus.
»Ab nach Wanderath bei Virneburg, Laach-Hof«, murmelte Rodenstock. Er sah mich von der Seite an. »Glaubst du, er war es?«
»Es würde passen. Was ist, wenn er mit dem Maschinengewehr loslegt?«
»Ich muß Kwiatkowski sowieso verständigen«, sagte er gelassen. »Es ist Kwiatkowskis Fall, ich habe Orden genug.« Er begann zu telefonieren: »Ich hätte da was für dich ...«
Ich achtete nicht allzu sehr auf das, was er sagte, weil die Konzentration der Ferrari-Farben auf den Straßen eher zugenommen als abgenommen hatte. Als ich an einer Straßeneinbiegung halten mußte, fragte ich einen total betrunkenen Trupp von Schumacher-Anhängern: »Was ist los, Leute? Schon gesiegt?«
»Ja, Scheiße«, muffelte einer mit Kognakfahne. »Da geht der Ralf hin und fährt in der ersten Runde dem großen Bruder aufs Dach. Das hältste doch im Kopf nicht aus!«
»Du lieber Himmel«, stöhnte Rodenstock, »wir hatten doch mal Frauen.« Er telefonierte erneut. »Deine Stimme klingt so, als ginge es dir gut und als hätte der Sekt keine Chance gegen dich. Baumeister und ich müssen noch eine Spritztour machen. Was liegt bei euch an?«
Er lauschte eine Weile, und ich hörte Gelächter und eine ziemlich ausgelassene Schreierei. »Die wollen weiterfeiern? – Wie, der Kumpel ist aufgetaucht? – Na, klasse, dann macht das mal so. Ruft an, wenn sich was ändert. – Bis später, Schatz! Und denk dran, niemals trockenen Elbling, du kriegst unweigerlich Sodbrennen.«
Rodenstock drehte sich zu mir. »Sie feiern. Ein Schumacher hat den anderen von der Bahn geschubst, und nun haben die Fans das Problem, daß sie sich entscheiden müssen, wer der Dämliche ist. Mein Gott, haben die Sorgen! – Kwiatkowski hat übrigens in Mainz durchgesetzt, daß er mehr Leute kriegt. Er ist uns dankbar wie ein Dackel, daß wir die Born und den von Schöntann beobachten. Mein Gott, sind das Welten!«
»Was meinst du?« Ich konnte ohnehin nicht weiterfahren, weil vor mir rund zweitausend Pkw-Fahrer versuchten, schnell nach Hause zu kommen, und hinter mir weitere dreitausend darauf warteten, mich zu zermalmen. Es ist aber auch eine Schweinerei, wenn ein Schumacher den anderen Schumacher mit einem so teuren Auto ...
»Jessica Born«, erklärte er. »Und Trixi. Von Schöntann und daneben Heiner. Das sind zwei Welten, die an den entscheidenden Punkten nicht deckungsgleich sind. Die einen nehmen es mit viel Humor und Selbstironie, und die anderen japsen hinter dem Geld her, daß sie Asthma ins Gehirn kriegen. Aber die mit dem Asthma sind gesellschaftlich anerkannt, die anderen weniger.«
»Du liebst die Trixis dieser Welt, nicht wahr?«
»Na, sicher. Und die Heiners auch. Ach, außerdem ist vermutlich der Freund der Born aufgetaucht, hält sich aber abseits.« Dann setzte er hinzu: »Ich habe noch ein ganz anderes Problem. Ich müßte mal pinkeln, und ich habe Hunger.«
»Pinkeln könnte ich arrangieren.« Ich peilte den nächsten Feldweg nach rechts an und bretterte hinein. Aber ich hatte vergessen, wie clever diese Rennbesessenen sind. Natürlich glaubten alle, ich verfügte über genügend Ortskenntnis und würde ihnen einen ganz raffinierten Schleichweg zeigen. Also fuhr mein Rodenstock zum erstenmal in seinem Leben mit einer Eskorte von etwa fünfzig Pkw quer durch die Eifel zum Pinkeln.
Und weil Autofahrer Hordentiere sind, pinkelten dann in einem Wäldchen von etwa zweihundert Quadratmetern rund dreißig bis vierzig gestandene Mittelstandsbürger, und ihre Frauen sahen ihn zu und
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