Eifel-Ralley
nichts. Bleib unten.« Seine Stimme war flach und zittrig.
Ich blickte über seinen Bauch auf das Haus und sah, wie Manni aus der Tür kam und die Winchester quer vor dem Leib hielt. Mit energischen Schritten näherte er sich uns, er rief: »Gottfried!«
Dann war er über uns, riesengroß wie ein Turm.
»Laß uns gehen«, sagte ich. »Laß uns um Gottes willen gehen.«
»Klar doch«, stammelte er. »Klar doch. Heh, Gottfried.« Manni starrte zu dem Hohlweg hinunter. »Die anderen trauen sich nicht. Keiner traut sich. Nur Gottfried traut sich.«
Mühselig setzte ich mich auf, das rechte Knie schmerzte, die Hose war dort zerrissen.
»Gottfried, steh auf«, sagte ich. »Wir können abhauen.«
»Klar, könnt ihr«, sagte Manni.
»Er ist tot«, sagte ich dann.
»Quatsch nicht«, erwiderte er wild und kniete sich neben Gottfried nieder.
»Ich gehe jetzt«, sagte ich.
Manni antwortete nicht, regungslos verharrte er neben Gottfried.
Ich kam auf die Beine. Als ich zehn Meter entfernt war, drehte ich mich um und sah, daß Manni den Lauf der Winchester in den Mund nahm.
Die Detonation war grell. Ich mußte mich setzen, weil meine Beine nachgaben.
Es war so entsetzlich still.
Die Stunde, die dann folgte, fehlt mir. Ich erinnere mich seltsamerweise nur an Kleinigkeiten. Zum Beispiel, daß ich einen der Feuerwehrleute bat, mir eine Zigarette zu schenken. Daß jemand fragte, ob ich einen Schnaps wolle, Dinah plötzlich da war und mit erstickter Stimme sagte: »Du blöder Hund.« Ich erinnere mich auch, daß Emma murmelte: »Wir können Rodenstock morgen früh wiederkriegen.« Daß sie grinste und hinzusetzte: »Falls wir ihn noch haben wollen.«
Auch Kwiatkowskis Leute mußten eingetroffen sein, denn ich habe jemandem etwas in sein Notizbuch diktiert und das Ganze unterschrieben. Was ich ausgesagt habe, weiß ich nicht mehr.
Ich weiß auch nicht mehr, wie wir nach Hause nach Brück gekommen sind.
Ich legte mich angezogen auf das Sofa, ließ Paul und Willi auf meinen Bauch hüpfen und schlief übergangslos ein.
Ich wurde wach, weil ich einen Traum hatte, an den ich mich Sekunden später nicht mehr erinnerte. Dinah hockte in einem der Sessel und schaute mich an.
»Ich überlege, ob es nicht besser ist, wenn du und Rodenstock Kwiatkowski den Rest überlaßt. Es ist doch ziemlich wurscht, ob es ...«
»Es ist nicht wurscht«, widersprach ich. »Wir wissen immer noch nicht, wer Harro, Irmchen und Jonny umgebracht hat.« Es roch nach Eiern mit Schinken. Ich schnupperte.
»Das ist Emma, sie drechselt ein Frühstück. Sie will gleich Rodenstock holen. Warum wollt ihr euch weiter reinhängen? Glaubst du, der Fall geht ohne dich nicht zu Ende?«
»Es ist meine Neugier, ich bin Journalist, und ich ...«
»Die Hamburger haben gefaxt. Du sollst dich melden. Außerdem rief die Kanzlei Lauer-Nack an. Du sollst zurückrufen. Da ist was mit dem Postboten und mit Paul.«
»Mit Paul? Und dem Postboten?« Ich war verwirrt und verstand nichts.
»Und die Kinder haben einen Golden Retriever bekommen, und Tante Edelburg möchte Spazierengehen, und Markus in Niederehe will eine Weinprobe machen. Du hast vergessen, Büromaterial bei Werners zu bezahlen. Bei Angela ist noch eine Rechnung von einem Buch über FBI-Studien zu Serienmördern offen. Wir sollten Heizöl kaufen, weil es jetzt noch billiger ist. Ich meine, es wäre gut, vorübergehend den Alltag anzugehen und so zu tun, als gäbe es ein normales Leben. Und das Krankenhaus hat angerufen, daß Peter dich sprechen will. Irgendein Sozialarbeiter macht sich Sorgen darüber, was das heißt: Alice nackt, Siggi gut.« Dinah lächelte. »Weißt du, was es heißt?«
Ich erklärte es ihr. »Wie geht es Rodenstock?«
»Gut. Keine Komplikation. Er hat Emma gesagt, er wäre ein bißchen verrückt gewesen.«
»Das war er. Aber er wollte nicht, daß der Mann stirbt. Insofern war er gar nicht verrückt. Was ist nun mit Paul und dem Postboten?«
»Das weiß ich doch nicht«, sagte sie nachsichtig.
»Ich verstehe immer nur Bahnhof. Was ist mit Jessica und ihrem Boß?«
»Beide sind im Dorint am Ring. Zuletzt war es ganz komisch. Von Schöntann war schon wieder nüchtern, als Jessica angerufen wurde. Wir wissen nicht, von wem. Danach legte sie los und trank sturzbachartig mehrere klare Schnäpse. Bis sie betrunken war und der Kellner sie in ihr Zimmer brachte. Sie wirkte nach dem Anruf sehr erleichtert, so, als sei sie irgendwo angekommen. Ich habe dem Kellner gesagt, er soll mich
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