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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Fangschuß.«
    »Mag sein«, nickte ich.
    Ich versuchte Emma zu erreichen und fror plötzlich, was bei mir ein untrügliches Anzeichen für Überlastung ist.
    »Hör zu«, begann ich vorsichtig. »Rodenstock hat einen Streifschuß mitgekriegt. Absolut nicht schlimm.
    Rechter Oberarm, oder nein, der linke. Er wird gerade nach Adenau transportiert. Ist aber wirklich nicht schlimm. Er sagt, du sollst ihn dort abholen.« Ich hörte ziemlich viel Lärm um sie herum.
    »Komisch. Ich habe so etwas ... na ja, mich erstaunt das nicht besonders. Und es ist wirklich nicht schlimm?«
    »Nein. Ist es nicht.«
    »Was ist geschehen?«
    Ich faßte mich kurz, soweit das möglich war.
    »Also, dieser Bauer hat Walter Sirl erschossen?«
    »Ja. Er konnte ziemlich gut erklären, wie er die Sache angegangen ist. Ja, er war es. Damit ist Sirls Tod geklärt, und der Rest wird etwas durchsichtiger. Was ist bei euch?«
    »Nichts, wirklich nichts. Hier sind Sechsjährige versammelt, die sich unermüdlich versichern, daß sie in ihrer Jugend die besten Rennfahrer der Welt waren. Alle sind betrunken, und sie betatschen sogar mich. Jessica Born ist natürlich nicht betrunken. Aber der Herr von Schöntann ist gänzlich hinüber. Wenn der sich in die Hosen pinkelt, wundert mich das auch nicht mehr. Gut. Ich fahre zu Rodenstock und komme dann zu dir. Wo bist du?«
    Ich erklärte es ihr. Dann rief ich Kwiatkowski an, um ihm zu berichten, was geschehen war und was wir erfahren hatten.
    »Gut so«, sagte er. »Ich schätze, ich komme in zwei, drei Stunden. Ich schicke aber vorher einen Satz scharfer Leute, damit keiner mehr auf die Idee kommt, den Helden zu spielen.«
    »Sie schicken erst mal harte Jungen«, sagte ich zu Gottfried.
    Er antwortete nicht. Über ein Walkie-talkie sprach er mit den Männern, die hinter dem Hof wachten.
    Ich setzte mich wieder an die Böschung und stopfte mir eine Pfeife.
    Mit einem halbem Ohr hörte ich, wie Gottfried zu jemandem jenseits der Hofanlage sagte: »Schwierig wird das erst, wenn es dunkel ist. Jetzt geht es noch. Und daß mir keiner von euch so mutig ist, an das Haus ranzugehen. Bald kommen Profis, und dann ist es ausgestanden.«
    Ausgestanden! dachte ich. Ausgestanden war das richtige Wort. Ich versuchte, mich an den Gesichtsausdruck des Bauern zu erinnern, als er auf Rodenstock geschossen hatte. Es hatte fatale Ähnlichkeit mit dem Gesicht eines Menschen gehabt, den die Fliege an der Wand stört. Wahrscheinlich waren wir zwei so etwas wie Fliegen gewesen.
    Die Pfeife zog nicht. Ich kratzte sie aus, nahm eine andere.
    Gottfried schritt wieder einmal an das Ende des Hohlwegs, um zu seinem Freund hochzuschauen.
    Wie ist das eigentlich? Da bist du mit einem Freund in die Grundschule gegangen, hast vorher schon im Sandkasten mit ihm gebuddelt. Und dann, nach mehr als einem halben Leben, mußt du hinnehmen, daß er ausflippt, daß niemand ihm helfen kann, daß er gar keine Hilfe will, daß er sagt: ich will es allein hinter mich bringen. Was heißt allein? Was will er hinter sich bringen? Die Trauer? Die Wut über die Frau, die er nicht bekommen hatte? Die Wut auf sich selbst? Auf die eigene Hilflosigkeit?
    Einige Minuten später registrierte ich, daß sich die drei Feuerwehrleute vor mir erregt bewegten. Einer von ihnen schrie hell: »Nein! So ein Scheiß!« Sie rückten gemeinsam lächerliche acht oder zehn Meter vor, um irgend etwas besser sehen zu können.
    »Gottfried!« stöhnte ich erstickt und spurtete los.
    Was hatte ich eigentlich erwartet? Daß er endlos den wahrscheinlichen Tod seines Freundes erwarten würde, ohne sich zu bemühen, diese Grausamkeit abzuwenden?
    Er war mindestens zweihundert Meter vor mir und bewegte sich schnell und zielstrebig auf das Haus zu. Er wedelte mit beiden Armen, und er keuchte laut in die Stille: »Laß mit dir reden, Manni, laß mit dir reden.«
    Der erste Schuß fiel, als ich noch fünfzig Meter von ihm entfernt war. Gottfried bekam einen gewaltigen Schlag, richtete sich hoch auf und fiel dann zurück auf den Rücken. Ein paarmal bewegte er sich wie in einem Krampf und lag dann still.
    Ich rannte schneller.
    Der nächste Schuß platzte auf Steine und endete in einem hohen Singen. Ich kam bis auf einige Meter an Gottfried heran, stolperte über etwas und stürzte nach vorn. Ich konnte ihn berühren, konnte sagen: »Was ist, Junge?«
    »Ach, Blödsinn«, hauchte er. »Dieser Idiot! Bleib bloß unten.«
    »Kannst du aufstehen?«
    »Nein. Ich merke gar nichts. Kein Schmerz,

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