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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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kann. Der Blick geht nach Norden über die Alte Burg und Reifferscheid, über Rodder und Fuchshofen hinweg. Du siehst nichts von diesen Orten, nur endlose Wälder und schier unendliche Schattierungen von Grün, und irgendwo liegen Eichenbach und Winnerath, aber du weißt nicht, ob nach der ersten oder zweiten oder dritten Hügelkette. Halblinks müßten Wershofen und Ohlenhard sein, geradeaus Schuld, Insul, Dümpelfeld, noch weiter Altenahr, Ahrweiler und Bad Neuenahr. An klaren Tagen, sagen die Leute, siehst du alle Bergketten bis vor den Rhein.
    Rechts schwirrte ein kleiner Bläuling um eine altrosafarbene Malve. Es war der erste Bläuling, den ich in diesem Jahr sah. Selbst die Lavendelhecke in meinem Garten und der sehr intensiv blühende Sommerflieder hatten nur Unmassen vom Kleinen Fuchs angelockt, nur ein Tagpfauenauge, einen Admiral. Es war kein Sommer für Schmetterlinge, und anfangs schien es, als gebe es nichts als ein paar Kohlweißlinge. Der Regen hatte zu lange gedauert, die Tage hatten nicht warm werden wollen, und die Bauern hatten geflucht, weil das erste wichtige Heu nicht geschnitten werden konnte.
    Harro.
    Ich blieb lange im Gras hocken, nahm endlich das Handy und rief Rodenstock in seiner neuen Wohnung in Cochem an der Mosel an. Ich hatte ihn vier Wochen nicht gesehen, weil er mit Emma zusammen die Wohnung einrichtete und dabei nicht gestört werden wollte.
    Emma meldete sich: »Bei Rodenstock hier.«
    »Ich liege in der Sonne«, sagte ich. »Ich sehe weit über die Eifel hinweg, und da blüht eine Malve und rechts davon zwei verirrte Kornblumen. Wie geht es euch?«
    »Gut«, sagte sie munter. »Wir kommen voran. Ich sehe Rodenstock nur noch mit einem Bohrer in der Hand, und ab und zu bohrt er ein Loch, und ich frage mich, wozu.« Sie lachte. »Er hat den schönen großen, neuen Spiegel im Badezimmer schon auf dem Gewissen. Aber er ist gutgelaunt und behauptet, Scherben bringen Glück. Und ihr? Was macht ihr?«
    »Wir haben einen Freund verloren, Dinah kümmert sich um dessen Frau. Es ist traurig, aber nicht zu ändern.«
    »Also brauchst du Rodenstocks Stimme?«
    »Das wäre gut«, gab ich zu.
    Nach einer Weile meldete er sich. Er atmete etwas hastig, weil er wohl angestrengt arbeitete.
    »Ein Kollege ist tot«, begann ich vorsichtig. »Er war ein guter Kollege, und ich weiß nicht...«
    »Deine Stimme trieft vor Mißtrauen«, sagte er. »Berichte, laß es raus.«
    Ich erzählte ihm, was zu erzählen war.
    Er überlegte eine Weile. »Also, die Obduktion hat im Grunde nichts ergeben, außer einigen hellroten Totenflecken. Der Arzt ist immer noch mißtrauisch, wenn ich dich recht verstehe. Der Fall ist komisch, gebe ich zu, aber plötzliche Todesfälle sind nun mal komisch. Zu unserem Schrecken kommt diese Plötzlichkeit, mit der niemand von uns rechnet und die uns stumm macht. Was willst du wissen?«
    »Ich will wissen, ob die Möglichkeit besteht, daß er getötet wurde.«
    »Natürlich«, antwortete der Kriminalrat a. D. »Weißt du, ob der Obduzent den Schädel des Toten geöffnet hat?«
    »Nein. Hätte er das tun müssen?«
    »Der Gesetzeslage nach wohl nicht. Es hätte mich aber interessiert. Kannst du den Arzt fragen?«
    »Na sicher. Ich melde mich wieder.« Ich unterbrach die Verbindung und rief Dr. Salchow an. »Haben Sie den Schädel des Toten geöffnet?«
    »Nein. Das ist nicht gemacht worden. Es bestand aber auch keine Notwendigkeit.«
    »Danke, ich laß von mir hören.«
    Ich rief erneut Rodenstock an. »Das ist nicht passiert. Kannst du mir sagen, worauf du hinaus willst?«
    »Das war nur so eine Idee. Fährst du jetzt nach Hause?«
    »Ja. Ich rufe dich an, wenn was ist. Arbeite schön und laß den Badezimmerspiegel in Ruhe.«
    »Sie hat gepetzt«, klagte er. »Es ist kein Verlaß auf die Weiber.«
    Ich fuhr langsam weiter, und wenn ein anderes Fahrzeug hinter mir auftauchte, fuhr ich zur Seite, um es vorbeizulassen. Ich querte bei Kirmutscheid die B 258 und fuhr am Burgkopf vorbei auf die Hochebene. Nohn, auf Bongard zu, sicherlich eine der schönsten Waldstrecken der ganzen Eifel. Ich kam langsam zur Ruhe, ich war wieder gelassen genug, Harros Tod als etwas Tragisches zu akzeptieren. Ich mußte nicht mehr in Kategorien wie Gewalt denken, um zu begreifen, daß er einfach gegangen war. Unwiderruflich. Ja, ein plötzlicher Herztod. Was sonst? Alter Mann, falls es dich gibt, dann sorge bitte dafür, daß er seine Ruhe hat und daß seine Frau ihre Ruhe findet.
    Als ich auf den Hof

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