Eifel-Ralley
aufrecht, weil man heute Rigips-platten an die Wände klatschen kann und Decken aufhängt, die so aussehen, als seien sie aus Holz. Im Grunde müßtest du dann das Ganze als Sondermüll deklarieren.«
»Du bist brutal«, beschwerte sich Rodenstock. Dann rief er: »Hallo, Peter!«
Links stand eine alte Scheune, windschief, aber solide. Die breite Tür knarrte, und der junge Mann, der herauskam, sah erbärmlich aus. Er trug einen alten, ausgefransten Pullover, eine Hose undefinierbarer Farbe, deren Reißverschluß kaputt war. Darunter grüne Reeboks, die den Eindruck vermittelten, als hätten sie drei Bauernkriege hinter sich. Der Mann war nicht rasiert, hatte eine wilde, lange Mähne, die strähnig und unansehnlich auf die Schultern fiel. Und er trug eine Stummelpfeife im Mund. Aber er strahlte über das ganze Gesicht und kam geradewegs auf mich zu. Er reichte mir die Hand, machte eine Verbeugung, ging dann zu Rodenstock und wiederholte das.
»Kommt rein, kommt rein«, sagte er heiser. Er stieß die Tür auf und ging voraus in den kleinen, dunklen Flur. Es ging nach rechts in eine Art Küche. Da gab es einen Tisch mit vier Stühlen, eine Uhr an der Wand, die sehr laut tickte, einen alten Küchenherd, der noch mit Kohlen und Holz befeuert werden mußte, und einen antiken Küchenschrank, dessen Untersatz mit Linoleum belegt war. Daneben hing eines der süßlichen Jesusbilder: Jesus in den Strahlen eines Mondes vor einem wacholderähnlichen Baum. Er kniete auf einer Grasfläche und betete mit gefalteten Händern.
»Das ist ja wirklich toll«, sagte ich und wies auf das Bild.
Peter lachte: »Jesus lebt!« Dann suchte er etwas. Es war eine Blechdose mit einem tabakähnlichen Stoff.
Ich nahm die Dose und roch daran. Es waren Pfefferminzblätter.
»Das gut. Das gut«, sagte er und klopfte seine Stummelpfeife aus.
»Ich habe Tabak«, sagte ich. »Richtigen Tabak. Willst du welchen?«
»Vielleicht will er lieber sowas?« sagte Rodenstock. Er hatte sich auf einen der uralten Stühle plaziert und hielt eine seiner fürchterlichen Zigarren hoch.
»Das gut«, sagte Peter. »Das gut.« Er nahm Rodenstock die Zigarre aus den Fingern und steckte sie in den Mund. Er schloß die Augen und beugte sich weit zu Rodenstock vor.
»Er will Feuer«, sagte ich überflüssigerweise.
Als die Zigarre brannte, öffnete er die Augen und strahlte uns wieder an. »Gut«, sagte er. »Bier?«
»Bier«, nickte Rodenstock.
»Ich nehme Wasser«, sagte ich.
Er ließ aus dem Wasserhahn Wasser in ein vor Dreck starrendes Glas laufen und stellte es vor mich hin. Dann holte er aus einem dunklen Winkel eine Flasche Bier, setzte ein weiteres dreckiges Glas vor Rodenstock auf den Tisch und goß ein. Er selbst nahm die Flasche. »Prost!« sagte er heiter.
Ich trank von dem Wasser und Rodenstock von dem Bier. Wir schmatzten alle drei behaglich.
»Irmchen ist tot«, begann Rodenstock.
»Ganz tot«, nickte Peter.
Er stand auf und machte vor, wie er sie gefunden hatte. Er ging pfeifend einen Weg, lief um das Haus, sah sie, legte die rechte Hand wie einen Schirm über die Augen, erstarrte und bewegte sich sehr schnell zu ihr hin. Er blickte nach unten auf Irmchen. Schließlich drehte er sich um und rannte auf der Stelle.
»Ganz tot«, wiederholte er. Dann lachte er. »Alice nackt.« Er zog gewaltig an der Zigarre.
»Irmchen ist Alice?« fragte ich.
»Nein. Alice nackt.«
»Irmchen ist nackt?« fragte Rodenstock.
Peter schüttelte den Kopf. »Alice nackt. Irmchen nicht nackt.«
»Moment mal«, sagte ich. »Irmchen war nackt.«
»Nein, nein. Irmchen nicht nackt.« Er paffte erneut gewaltige, stinkende Wolken. »Alice nackt.«
»Wer ist Alice?« fragte Rodenstock.
»Alice?« fragte er zurück. Dann wieder: »Alice nackt.« Peter stand auf und ging schnell hinaus. Wir hörten, wie er die Treppe nach oben nahm, es polterte laut. Er redete etwas, wir konnten es nicht verstehen, dann quietschte eine Tür. Er rumorte irgendwo herum, wieder quietschte eine Tür, und er kam polternd die Treppe herunter. Im Arm trug er Kleider. Einen Rock, ein T-Shirt, einen Slip.
»Irmchen«, sagte er heiter und legte das Zeug auf den Tisch zwischen uns. »Alice nackt«.
»Oh Gott«, hauchte Rodenstock. »Sie war angezogen, sie war nicht nackt. Er hat sie ... er hat sie ausgezogen.« Das alles mit gänzlich unbewegtem Gesicht. Er grinste Peter an. »Irmchens Kleider?«
»Irmchens Kleider!« nickte Peter aufgeregt. »Irmchen ganz tot.« Er strahlte wieder. Dann fuhr
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