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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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»Weiter Alice.«
    Ich verstand immer noch nicht, aber ich las weiter: »Jedes Selbstlossein, jeder Verzicht aus Liebe, jedes tätige Mitleid, jede Selbstentäußerung scheint ein Weggeben, ein Sichberauben und ist doch ein Reicherwerden und Größerwerden ... Es ist ein altes Lied, und ich bin ein schlechter Sänger und Prediger, aber Wahrheiten veralten nicht und sind stets und überall wahr, ob sie nun in einer Wüste gepredigt, in einem Gedicht gesungen oder in einer Zeitung gedruckt werden.« Ich hörte auf, ich mußte aufhören, um Peter zu beobachten.
    Er öffnete die Augen und sah mich aus weiter Ferne kommend an. Dann stand er auf, beugte sich über mich und küßte mich auf die Stirn. »Alice nackt«, sagte er sachlich und trank aus der Flasche Bier.
    Wahrscheinlich war ich rot geworden. Verwirrt war ich in jedem Fall. »Irmchen?« fragte ich.
    »Irmchen!« sagte er und hielt wieder den Slip hoch.
    Rodenstock schlich behutsam in die Küche zurück. »Ein Wagen ist unterwegs. Sie machen es sanft.«
    »Das hoffe ich, verdammt noch mal. Er war es nicht, Rodenstock. Er hat sie ausgezogen, aber er war es nicht.«
    »Das ist verdammt unwahrscheinlich«, sagte er, aber er sagte es wütend, weil er wohl wußte, daß ich recht hatte.
    Wir hörten die Sirene des Wagens näher kommen, bis sie abgestellt wurde.
    »Polizei«, grinste Peter. Er hob das dreckige Glas mit Rodenstocks Bier und hielt es ihm hin. »Prost!«
    Rodenstock nahm es und trank.
    Der Streifenwagen rollte direkt vor das Fenster, und zwei Beamte stiegen aus.
    Peter wiederholte strahlend: »Polizei!« und ging hinaus.
    Wir folgten ihm.
    »Hallo, Peter«, sagte der ältere Beamte. »Wir kommen, um dich zu fragen, ob du vielleicht ein Insektenvertilgungsmittel hast. Wir brauchen was im Garten.«
    Wir erlebten unser Waterloo.
    Peter fragte glockenklar: »Insektenvertilgungsmittel? Habe ich nicht. Habe ich noch nie gehabt. Ja, Moment mal, Schneckenkorn.« Er freute sich über das Wort Schneckenkorn und wiederholte es lachend.
    Der ältere Beamte wandte sich an uns: »Ich will nicht vorlaut sein, meine Herren. Aber wenn er sagt, daß er kein Insektenvertilgungsmittel hat, dann hat er auch keines. Ich habe noch nie erlebt, daß Peter lügt. Nicht mal, wenn er im Tante-Emma-Laden Stumpen genommen hat, weil er glaubt, er darf sie nehmen. Er lügt einfach nicht.«
    »Ich wollte nur sichergehen«, muffelte Rodenstock. »Er war am Tatort. Er hat Irmchen ausgezogen, denn ihre Sachen sind hier bei ihm.«
    Der Beamte wurde schneeweiß. »Das kann ich nicht ... das ist ja ganz verrückt, das sind vielleicht andere Kleider.«
    »Sind es nicht«, sagte ich. »Er hat uns vorgemacht, wie er Irmchen fand. Und ihre Kleider sind jetzt hier. Peter hat sie uns freiwillig gegeben. Er hat Irmchen gefunden und sie ausgezogen.«
    Der ältere Beamte, der sicherlich lebensklug war, fragte: »Peter, wo ist Irmchen?«
    »Ganz tot«, sagte Peter unbewegt.
    »Und du hast sie ausgezogen?«
    Peter nickte. »Ausgezogen. Irmchen gut. Alice nackt.«
    »Wieso Alice?« fragte der Uniformierte.
    »Alice nackt«, wiederholte Peter störrisch.
    »Ich glaube nicht, Herr Rodenstock, daß er es war. Er hat Irmchen gefunden, gut, er hat sie ausgezogen, auch gut. Aber er hat Irmchen nicht angetastet. Irmchen war seine Heilige. Wir teilen es sicherheitshalber der Kommission mit. Aber es besteht sowieso keine Gefahr. Peter haut nicht ab, Peter haut nie ab.«
    »Peter haut nicht ab«, plapperte Peter nach. »Irmchen ganz tot. Alice nackt.«
    »Wieso lebt Peter hier allein?« fragte ich. »Wieso ist er nicht in einem Heim?«
    »Weil er harmlos ist, und weil er hierhergehört«, entgegnete der Polizist. »Er ist geistig zurückgeblieben und war nach dem Tod seiner Eltern in Heimen. Er ist überall abgehauen, tauchte immer wieder hier in seinem Elternhaus auf, weil er hierhingehört. Da hat der Gemeinderat beschlossen, ein Gutachten anzufordern. Das besagte: Peter ist total harmlos. Das ist jetzt fünfzehn Jahre her. Nie ist etwas passiert. Nie.«
    »Irgendwann hat alles Premiere«, sagte Rodenstock immer noch muffig. »Na gut, geben Sie der Kommission Bescheid. Vielleicht spricht sicherheitshalber ein Psychiater mit Peter. Aber merkwürdig ist es. Er muß Irmchen gefunden haben, kurz nachdem wir dort verschwunden sind. Das war um zwölf. Um zehn vor eins kommt Peter bei Harro Simoneits Haus in Adenau an und sagt, Irmchen sei tot. Das sind sechs Kilometer. Sechs! Das ist doch technisch unmöglich.«
    Der

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