Eifel-Ralley
betreffen Spesengelder, Reisegelder, Autos, Wohnungen, enorme Urlaubszeiten und so weiter und so fort. Also ist das mit der Bestechung so eine Sache ...«
»Er hat dir 400.000 pro Jahr geboten. Ist das nicht irrsinnig?« Das verletzte Rodenstocks Beamtenehre.
»Reg dich ab, Papi. Ich kann deine Wut verstehen, und tatsächlich ist die Preis-Leistungs-Kurve an dieser Stelle so etwas wie der Mont Blanc in einer platten Ebene. Erinnere dich an den hübschen Spruch Nichts ist unmööööglich – Toyota. Dieser eine Spruch, rund um die Welt, hat der Firma mehr gebracht, als man sich ausmalen kann. Und auf diese Hoffnung gründet sich das ganze Gewerbe. Sie zahlen irrsinnige Gelder. Die 400.000 sind eigentlich nur zwei Drittel der Wahrheit. In Wirklichkeit könnte ich allein von den Spesen leben und den Rest der 400.000, den mir das Finanzamt läßt, aufs Sparbuch tragen. An dieser Stelle streikt dein soziales Gefühl, und du hast recht. Arbeitslose noch und nöcher, und 400.000 Mark für Texte, von denen man nicht weiß, ob sie vierundzwanzig Stunden überleben. Das ist eine verrückte Welt, und sie wird immer verrückter.« Ich bremste und stellte mich rechts an den Straßenrand. »Ich sage dir, wie das Gespräch mit ihm verlief.«
Ich berichtete so genau wie möglich, und Rodenstock hörte schweigend zu.
Als ich den Wagen wieder in Bewegung setzte, sagte er: »Im Grunde kannst du zwei Jahre erfolglos texten. Aber du wärst zwei Jahre vom Markt und müßtest die Schnauze halten, weil er dein Arbeitgeber ist.«
»So ist es«, bestätigte ich. »Er würde mich ein paarmal auf Konferenzen vor meinen Arbeitskollegen beschämen und zur Sau machen, so daß ich nach zwei Jahren ganz freiwillig gehen würde. Anschließend könnte ich nichts gegen ihn unternehmen, weil jeder Richter mich aufgebracht fragen würde: Wie können Sie für diesen Mann für 400.000 pro Jahr arbeiten und ihn beschuldigen, ein Schwein zu sein? So einfach ist das.«
»Die Koalition der Ehrenmänner«, seufzte Rodenstock. »Wie in der Politik.«
»Es ist Unternehmenspolitik«, bestätigte ich. »Es gibt geradezu irre Ansprachen in diesem Gewerbe. Da läßt ein Konzern der Autobauer ein halbes Hundert Journalisten anreisen. Zu irgendeiner Neuvorstellung eines bestimmten Typs. Die Journalisten kriegen von der eigenen Redaktion Spesengelder, setzen also sowieso keinen Pfennig zu. Die Presseabteilung zahlt ihnen aber diese Spesengelder noch einmal, und zwar in doppelter Höhe. Die Journalisten zahlen die Hälfte an einen Sonderfond der Presseabteilung zurück. Jetzt haben beide Seiten Spielgeld und allein an den Spesen gut verdient. Das war auch so eine Sache, mit der Harro nicht fertig wurde. Es ist tragisch, er war irgendwie zu ehrlich. Er hatte deutlich etwas vom Michael Kohlhaas. Die Sache mit den Spesengeldern hat er mir mal erzählt. Nicht etwa als Gag, sondern als ein Stückchen Fragwürdigkeit, über das kein Mensch mehr nachdenkt.«
»Damit wäre es aber auch möglich, daß Harro von jemandem getötet wurde, der aus den eigenen Reihen stammt.«
»Alles kann sein. Kann sogar sein, daß es einfach ein Irrer ist, hinter dessen Systematik wir niemals kommen werden.«
Harros Haus war kein Trauerhaus mehr. Als wir ausstiegen, lachte jemand schallend, dann fielen andere ein, Männer und Frauen.
»Was ist denn das?« fragte Rodenstock verwirrt.
In dem Haus war der Teufel los. Die Leute schleppten Sessel, Sofas, Bücherstapel. Jemand sagte: »Also so gefällt mir der Raum schon viel besser.« Vier Menschen kamen an uns vorbei und schrien frohgelaunt: »Aus dem Weg, aus dem Weg.« Sie trugen etwas Bettartiges. Sie schwitzten und lachten und keuchten und fragten ab und zu: »Petra, wo kommt das hin?« Petra stand auf der Treppe und erteilte Befehle. »Das nehme ich in mein Arbeitszimmer. Das kommt in die Wohnlandschaft oben, das will ich an meinem Bett haben.«
»Die spielen doch verrückt«, sagte Rodenstock.
»Tun sie nicht«, sagte Dinah. Sie fiel mir um den Hals, biß mir ins Ohr und flüsterte: »Ich freue mich so, daß du wieder da bist. Wir räumen sämtliche Zimmer um. Das Gästezimmer wird Petras Schlafzimmer, das Schlafzimmer wird ein Arbeitszimmer, das Arbeitszimmer von Harro wird ein Kinderzimmer und das Wohnzimmer hier unten wird eine Art Wohnlandschaft. Und natürlich stammt die Idee mal wieder von der mehr als beliebten Emma. Und jetzt verschwindet gefälligst im Garten, ich setze einen Kaffee auf.«
Wir schwiegen vor uns hin.
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