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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Rodenstock steckte sich eine Brasilzigarre in den Mund und war wahrscheinlich muffig, weil er keinen Kognak hatte, keinen Kaffee und keine Bitterschokolade. Ich stopfte mir eine Chacom und paffte in die Sonne.
    Endlich tauchte Emma mit einem Tablett auf und sagte heiter: »Hier ist auch Schokolade und Kognak. Ich war in einem Tante-Emma-Laden und habe an dich gedacht. Es ist gut, daß ich dich habe.«
    »Was treibt dieses verrückte Haus eigentlich?« fragte Rodenstock klagend.
    »Die Idee stammt von meinem Ururonkel Mendele, der seinerzeit in Rio de Janeiro ein verrücktes Testament hinterließ, als er hochbetagt und sehr reich das Zeitliche segnete. Mendele war ein Familienmensch und legte in seinem Testament Regeln fest. Zum Beispiel bestimmte er, daß möglichst schnell nach seinem Tod das Haus neu angestrichen werden sollte. Und jeder Raum sollte eine neue Bestimmung erhalten und, wenn eben möglich, neu eingerichtet werden. Seitdem hat mein Clan das so gehalten.« Sie lächelte und starrte auf das Haus. »Und wie ihr seht, funktioniert das und verscheucht ein bißchen die Schatten.« Sie fuhr Rodenstock zärtlich durch das Haar. »Du solltest darüber nachdenken. Einer von uns marschiert eher auf den Friedhof, soviel ist klar. Also sollte der Übrigbleibende so schnell wie möglich ein neues Zuhause bekommen.«
    Rodenstock grinste und erwiderte sarkastisch: »Du machst mir richtig Mut.«
    »Oller Torfkopp!« murmelte sie – für eine Holländerin von erstaunlicher Sprachkraft.
    »Ehe ihr übereinander herfallt, laß mich fragen, ob in unserer Sache hier irgend etwas passiert ist«, mischte ich mich ein.
    »Du bigotter Mensch!« maulte Rodenstock.
    »Ja«, berichtete Emma, »wir hatten Besuch von Peter.«
    »Und wer ist das?«
    »Ein Verrückter, ein Dorfdepp, ein ganz liebenswerter. Der kam von Quiddelbach herunter und brachte die Nachricht, daß diese Irmchen, die Privatwirtin, getötet wurde.«
    »Moment mal«, sagte ich augenblicklich aufgeregt, »wann war der hier?«
    »So um ein Uhr. Nein, halt, es war zehn Minuten vor eins. Ich habe auf die Uhr gesehen. Er wollte Petra sehen und ihr sagen, daß Irmchen jetzt auch tot sei. Ganz tot! sagte er.«
    »Um 12 Uhr haben wir Irmchen verlassen«, überlegte ich. »Da war sie quicklebendig. Und dieser Verrückte taucht hier um zehn vor eins auf und behauptet, sie sei tot. Es sind garantiert sechs Kilometer bis Quiddelbach. Stopp, von Haus zu Haus eher sieben. Wie ist er hierhergekommen?«
    »Petra meint, er macht alles zu Fuß.« Emma schaute mich an. »Oh je, das ist aber komisch.«
    »Das ist sehr komisch«, nickte Rodenstock. »Da hast du deinen Irren!«
    »Augenblick noch. Was hat er sonst noch erzählt?«
    »Nichts. Wir haben ihm eine Flasche Bier gegeben. Er saß auf der Treppe vor dem Haus, und als er die Pulle ausgetrunken hatte, verschwand er wieder. Er ist ein Lieber, er ist total verrückt, aber harmlos. Laut Petra wohnt er in einem alten kleinen Bauernhaus am Rand von Quiddelbach.«
    »Laß uns fahren«, sagte ich. »Das müssen wir sofort wissen.«
    »Wenn wir Glück haben, ist er dein Irrer.« Rodenstock hastete hinter mir her.
    Jemand, der in einem Vorgarten Rosen schnitt, sagte uns, Peter sei einfach zu finden. Letzter Weg nach links, letztes Haus rechter Hand gleich am Wald. »Und wenn er nicht da ist, gucken Sie in die Scheune. Da ist er meistens.«
    Die letzten zweihundert Meter ließ ich den Wagen betulich ausrollen, um diesen Peter nicht aufzuregen. Das Haus war uralt und sehr klein. Es war von der Art, in denen Jungbauern früher ihre Eltern unterbrachten, wenn sie das Hofhaus für ihre eigene Familie brauchten. Das Fachwerk war vom Feinsten, weil handgearbeitet mit den Spuren der alten Beile. Die Füllungen bestanden aus Stroh und Lehm, die dann später mit Mörtel beworfen worden waren. Das Dach war in der Mitte geschwungen wie eine Messerklinge, und das Haus stand mit Sicherheit unter Denkmalschutz. Rechts und links von der alten zweiteiligen dunkelgrünen Klöntür, die in das Haus führte, standen Rosenstöcke, an deren Fuß deutlich sichtbar war, daß es sie schon vor dem Zweiten Weltkrieg gegeben hatte. Das nächste Haus war mehr als zweihundert Meter entfernt.
    Rodenstock blieb stehen und sagte bewundernd: »Davon habe ich immer geträumt.«
    »Es wird unheimlich eng da drin sein. Eng und muffig. Und niemand kann sich räuspern, ohne daß das jemand anderes mitkriegt. Die Mär von der Romantik alter Bauernhäuser hält sich nur

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