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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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er mit dem Zeigefinger in den Slip und nahm ihn hoch. Er ließ das gute Stück weit ausschwingen und lachte unbändig dazu.
    »Was ist, wenn er eine alte Dose mit Ungeziefermittel entdeckt hat und das Zeug einfach ausprobierte?« Ich überlegte, ob Peter vielleicht der dunklen Seite seiner Seele anheimgefallen war. Nicht lange, nur ein paar Sekunden. Plötzlich fror ich.
    Rodenstock beugte sich zu Peter vor, tippte ihm auf den Oberschenkel, drückte mit dem Zeigefinger einen imaginären Knopf und machte »pffft, pffft« dazu.
    Peter verstand es nicht und schüttelte sicherheitshalber den Kopf. »Nichts Pffft. Alice nackt«, sagte er wieder.
    »Wir müssen die Bullen holen«, sagte Rodenstock durch die Zähne. »Sie müssen dieses Haus durchsuchen. Vielleicht haben wir gerade den Fall gelöst.«
    »Wir müssen vor allen Dingen normal mit ihm reden«, sagte ich. »Wir verkindischen ja förmlich. Wenn wir normal reden, wird er normal reagieren. Er hat vorgemacht, wie er die Tote fand und wie er erschreckte. Und er ist keiner, der lügt, oder?«
    »Wir müssen die Bullen holen«, wiederholte Rodenstock starrsinnig. Er wandte sich an Peter. »Irmchen ist gut zu dir, nicht wahr?«
    »Sehr gut«, bestätigte er heftig. »Ich arbeite. Für Irmchen. Bierkästen, Weinflaschen, Suppendosen.« Bei dem letzten Wort stieg erneut Heiterkeit in ihm hoch. »Suppendosen«, wiederholte er.
    »Du hast auch den Garten für Irmchen gemacht, nicht wahr?« fragte ich.
    »Oh ja. Garten, Blumen, Rasenmähen. Alles machen, Peter alles machen. Irmchen gut.«
    »Niemals«, sagte ich, aber ich zweifelte selbst noch immer, »niemals hat er das gemacht. Er hat sie ausgezogen, gut. Aber er sagt auch dauernd ›Alice nackt‹, also wollte er Irmchen nackt. Und sie konnte sich nicht wehren. Und sieh mal, er ist doch ganz stolz auf den Slip.«
    Peter hatte erneut den Slip auf den Zeigefinger genommen.
    »Ich gehe mal raus telefonieren«, murmelte Rodenstock. »Ich kann mir das nicht erlauben, die einfachsten Regeln zu mißachten, verstehst du das?«
    »Natürlich verstehe ich das. Aber ruf nicht mehr als einen Streifenwagen. Verschreck ihn nicht, den armen Kerl.«
    »Armer Kerl?« fragte Peter. Dann lachte er und nickte. »Peter, armer Kerl. Peter armer, armer Kerl.« Er wollte sich ausschütten vor Lachen, hockte da vor seiner Bierflasche und stemmte den Slip auf dem Zeigefinger.
    Rodenstock stand auf und ging hinaus. Einen Augenblick lang wurde Peter unsicher und sah ihm fragend nach. Das schien er zu kennen, da verließ ihn jemand.
    »Schon gut«, sagte ich beruhigend. »Alice nackt?«
    Er nickte ernsthaft, hörte auf zu lachen. »Alice nackt!« Er erhob sich ebenfalls und kramte im Oberteil des Küchenschrankes herum. Er kehrte mit einer alten Bibel zurück, auf der Stockflecke weiß schimmerten. Er blätterte das Buch auf: »Alice nackt.« Dabei tat er so, als lese er in der Bibel.
    Ich nickte, weil ich ihm signalisieren wollte, daß ich ihn verstanden hatte. Das schien mir der richtige Weg, das schuf Vertrauen.
    Als er das nächste Mal sagte: »Alice nackt«, hielt er mir die Bibel hin.
    Ich nahm sie und blätterte darin. Vorn stand ein kurzer Text. Er lautete: Vertrau auf Deinen Herrgott Kind. Darunter: Diese Heilige Schrift ist das Eigentum von Katharina Hillesheim. Adenau am 5. October 1892.
    »Alice nackt«, sagte Peter eifrig und sah mich so strahlend an, als müsse jetzt etwas Besonderes geschehen.
    Ich dachte, ich versuche es. Ich hielt das Buch so, daß sich die Stelle von selbst aufschlug, die vermutlich am meisten gelesen worden war. Dort lag ein gedruckter Zettel mit einem Text von Hermann Hesse, geschrieben zum Weihnachtsfest.
    Ich las: »Es ist ein merkwürdiges, doch einfaches Geheimnis der Lebensweisheit aller Zeiten, daß jede kleinste, selbstlose Hingabe, jede Teilnahme, jede Liebe ...«
    »Alice nackt«, rief Peter voller Begeisterung.
    »Also weiter«, sagte ich geduldig. »... jede Liebe uns reicher macht. Während jede Bemühung um Besitz und Macht uns Kräfte raubt, uns ärmer werden läßt. Das haben die Inder gewußt und gelehrt, und dann die weisen Griechen und dann Jesus, dessen Fest wir jetzt feiern ...« Ich hörte auf, ich schaute Peter an.
    Er saß ganz entrückt da, hielt die Augen geschlossen, die Zigarre vor ihm in dem alten Aschenbecher war ausgegangen. Er hatte den Kopf weit zurückgelegt. Schließlich beugte er sich vor, legte behutsam eine Hand auf meinen Arm und sagte nickend: »Alice nackt. Gut.« Und:

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