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Eifel-Ralley

Eifel-Ralley

Titel: Eifel-Ralley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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ältere Beamte grinste und hatte eine Miene aufgesetzt, die etwas von der beharrlichen Freundlichkeit eines Erwachsenen hatte, der mit einem störrischen Kind zu tun hat. »Gut, daß Sie das sagen, Herr Rodenstock. Peter ist gut zu Fuß. Er nimmt nicht Wege und Straßen, er rennt immer querfeldein. Er rennt! Ich schätze, er braucht bis Adenau nicht länger als eine halbe Stunde. Das kennen wir schon.«
    Rodenstock nickte. »Schon gut.«
    Die Beamten verabschiedeten sich und fuhren wieder davon.
    »Alice nackt«, sagte Peter.
    »Ich würde viel geben, um zu wissen, was das heißt«, sagte ich.
    »Alice nackt.« Peter faßte mich am Arm und zerrte mich in das Haus zurück. Er führte mich in die Küche, drückte mir die Bibel in die Hand und sah mich bittend an.
    »Ich habe keine Zeit mehr, Peter«, sagte ich. »Ich muß weiter, ich muß arbeiten.«
    »Alice nackt morgen?« fragte er. Er schien sofort verstanden zu haben.
    »Alice nackt morgen«, nickte ich.
    Er drückte meinen Arm ganz heftig. Dann wurde sein Gesicht starr. »Irmchen ganz tot«, sagte er betrübt. Er schreckte leicht hoch, wandte sich um, nahm die Zigarre und rannte hinaus. Dort steckte er sie sich in den Mund, stellte sich vor Rodenstock, beugte sich weit vor und hielt die Augen geschlossen.
    Rodenstock seufzte und gab ihm Feuer. »Wir kommen wieder«, versprach er fest.
    »Morgen Alice nackt«, nickte Peter.
    »Morgen weiß ich nicht. Aber bald«, antwortete ich. Dann fragte ich: »Walter?«
    Er nickte heftig. »Walter ganz tot.« Er schien sich an etwas zu erinnern, das ihn verwirrte. »Walter, Irmchen«, sagte er und kniff die Augen zusammen. »Morgen Alice nackt.« Dann erinnerte er sich an etwas anderes. Er lachte uns an, drehte sich herum und rannte in das Haus. Er kam mit den Kleidern Irmchens zurück und gab sie mir.
    »Danke«, sagte ich. »Wir Trottel hätten sie vergessen.«
    »Trottel«, strahlte er und schlug sich vor Freude auf den Schenkel.

Fünftes Kapitel
    Wir fuhren zu Harros Haus zurück.
    Das umgestaltete Wohnzimmer war Versammlungsort. Die Leute hockten auf allen Sitzgelegenheiten und aßen heiße Würstchen mit Kartoffelsalat. Einen Teil von ihnen kannten wir schon flüchtig als Verwandte und Eltern von Petra und Harro, einen anderen Teil kannten wir noch nicht. Nachbarn, vermutete ich.
    Emma verschwand in der Küche und brachte uns etwas zu essen. Dinah hockte einträchtig mit Petra in einem viel zu schmalen Sessel.
    Draußen war es sehr schwül, und im Westen stand eine fast schwarze Wolkenwand. Die Vögel im Garten hatten ihr Konzert eingestellt. Es würde vielleicht noch zwanzig Minuten dauern, dreißig bestenfalls. Die Gewitterwand zierte an den Rändern ein Blau in allen Schattierungen, es war ein phantastisches Farbenspiel.
    »Ich finde es komisch, daß Irmchen keinen Beschützer hatte«, meinte Rodenstock. »Nicht mal so einen, den sie nicht mochte.«
    »Sie hatte Walter«, wandte ich ein.
    »Richtig. Aber das meine ich nicht. Ich meine die andere Welt von Irmchen.«
    »Vielleicht hat die Tatsache, daß Andreas von Schöntann gewissermaßen Stammgast war, die Zuhälter abgehalten.«
    »Es müßte eher das Gegenteil der Fall sein«, murmelte er und biß von seinem Würstchen ab. »Eine Frau mit so einem Kunden wie dem von Schöntann lockt alle möglichen Typen der Szene magisch an. Sie wittern Geld, verstehst du? Sie wittern einfach viel Geld. Jedenfalls ist das die Regel.«
    »Na gut, aber ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß Walter Sirl ziemlich grob geworden wäre, wenn er einen Zuhälter in Irmchens Wohnung angetroffen hätte.«
    »Immer vorausgesetzt, er hätte das überhaupt gemerkt. Er war sehr naiv, er war gutmütig«, setzte Rodenstock dagegen.
    »Wie hätte ein Zuhälter in diesem Zirkel Fuß fassen können?« fragte ich.
    »Ich denke gar nicht an einen ausgesprochenen Zuhälter, ich denke nur an einen Charakter, der dem eines Zuhälters nahe kommt. Stell dir jemanden vor, der etwas aus Irmchens Vergangenheit weiß, das sie gern verborgen hätte. Er erpreßt sie, er weiß, daß er irgendwann absahnen kann. Er findet das Arrangement mit von Schöntann heraus. Er kann Tausende ernten – mit einem einzigen Telefonanruf.« Unvermittelt lächelte er. »Ach, Baumeister, hör nicht auf einen alten Meckerkopp. Ich denke einfach, daß wir bestimmte Spielfelder dieses Falles noch nicht betreten haben. Wir wissen noch nicht einmal, welche Spielfelder es gibt.«
    Das Gewitter brach los, und in erstaunlich vielen Augen

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