Eifel-Ralley
stand die blanke Angst. Es waren nicht so sehr die Frauen, die sich hier hervortaten, es waren die Männer. Ihre Augen wurden unstet, und sie schielten unausgesetzt aus dem großen Fenster. Jedesmal, wenn es blitzte und knallte, zuckten sie zusammen, und sie lachten breit und scheinbar gelassen. Die Frauen waren ängstlich, sie gaben es aber zu. Alles in allem war es eine witzige Szenerie.
Petra kam herüber und setzte sich auf meine Sessellehne. »Wie geht es euch so?«
»Nicht sehr gut«, sagte ich. »Kennst du eine Alice?«
»Nein. Wie ist Irmchen umgekommen?«
»Salchow wird anrufen, wenn er Näheres weiß. Wir haben mit dem verrückten Peter gesprochen. Und wir glauben, daß Harro bei der Recherche der Rückrufgeschichte auf noch etwas anderes gestoßen ist. Irgendwie muß das mit Irmchen zusammenhängen. Hat Harro dir gegenüber nie etwas erwähnt?«
»Er hat nur gesagt: Mit Irmchen läuft eine Riesensauerei. Ich erinnere mich an den Ausdruck, weil er ihn normalerweise nie gebrauchte. Ich habe gefragt, wie die Riesensauerei denn aussehe. Aber er hat keine Antwort gegeben. Er gab nie Antworten, wenn er etwas nicht genau wußte. Einmal war er in Luxemburg. Das muß ungefähr drei Wochen her sein. Als er zurückkam, sagte er: Das wird mir kein Mensch glauben.«
»Wie ist das eigentlich gewesen?« fragte Rodenstock. »War Harro oft bei Irmchen?«
»Ja«, antwortete Petra. »In den letzten Wochen dauernd. Immer wieder sagte er abends: Ich gehe auf ein Bier zu Irmchen. Und wenn ich Lust hatte, ging ich mit. Irmchen war eine gute Type, finde ich.« Petra glaubte, etwas klarstellen zu müssen: »Es ist nicht so, daß Harro mir mißtraute. Er stand auf dem Standpunkt, daß ich bei laufenden Recherchen so wenig wie möglich wissen sollte. Wenn er dann fertig war und schrieb, las er es mir vor.«
»Etwas stößt mir auf«, sagte Rodenstock. »Irmchen war eine Frau, die mit vielen schlief. Mir fehlt die männliche Figur, die so etwas wie ein Zuhälter sein konnte. Weißt du etwas von einem Zuhälter?«
»Nicht direkt«, erwiderte sie überraschenderweise. »Aber da war die Rede von einem gewissen Jonny. Der fuhr eine schwere, schwarze Kawasaki. Ich weiß auch, daß er schon Gast bei Irmchen war, als sie noch die Kneipe in Rieden hatte. Die Leute aus Quiddelbach sagen, Jonny sei ein Schwein. Ab und zu kam er und hat Irmchen zugesetzt. Er sagte ihr, er würde sie managen und sie könnte ihren Umsatz verdreifachen.«
»Wo wohnt er? Wie alt ist er?« Rodenstock klopfte mit den Fingern der Rechten ein Stakkato auf die Sessellehne.
»Weiß ich nicht«, sagte sie und stand auf. Wir waren ihr wohl zu direkt, und wir waren zu dicht am Tod ihres Harro.
»Jonny«, murmelte ich. »Wir hätten Peter fragen sollen. Ich wette, Peter weiß, wo Jonny ist. Aber ich bin so verdammt müde.«
»Ich auch«, nickte Rodenstock. »Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Vielleicht sollten wir eine Runde schlafen und dann Jonny suchen. Außerdem sollten wir diesen Ingo Mende fragen, ob er was herausgefunden hat. Vielleicht kann er Harros Notizen inzwischen lesen.«
»Morgen«, entschied ich. »Morgen reicht.«
Eine halbe Stunde später fuhren wir hinter den beiden Frauen her, die dankbar waren, daß wir darauf bestanden hatten, sie mitzunehmen.
Ich war noch nicht fünf Minuten im Haus und freute mich wie ein Kind auf ein Sprudelbad in Wacholdersalz, als die Hamburger Redaktion anrief und mich fragte, ob ich denn bereit sei. Ich antwortete, ich sei immer bereit. Es ginge um einen Text und möglichst viele exklusive Fotos. Sie seien interessiert an dieser Geschichte »da in der Eifel am Nürburgring, an diesen angeblichen Morden«.
»Nichts ist angeblich«, sagte ich. »Im Gegenteil, es sind Morde.«
»Gut«, sagte Hamburg. »Dann erwarten wir das Material.«
Ich wandte ein, daß bisher kein Wort von Geld gefallen sei und was sie denn anzulegen gewillt seien. Für einen Recherchenbericht von drei Seiten und sechs, acht Bilder seien sie bereit, einen Tausender hinzulegen.
»Dann vergessen Sie es«, sagte ich. »Die Konkurrenz hat mit schon das Fünffache geboten.« Es war ein schönes Gefühl zu lügen.
»Da halten wir doch mit«, erwiderte die jugendliche Stimme herzlich. »Das Material sollte aber spätestens übermorgen auf meinem Tisch sein.«
»Das geht nicht. Die Fälle sind zu frisch. Wir sind kaum über die Obduktionen hinaus. Wir warten ab, was ich erreiche, und ich sage Ihnen dann Bescheid.«
Ȇbermorgen oder gar
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